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Der gläserne Sarg

Der gläserne Sarg

Titel: Der gläserne Sarg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirkungsvollsten zu messen.
    Fred überlegt, wann er seinen nächsten dienstfreien Abend hat, und kommt dann zu dem Schluß, daß die blonde Mary und er noch ein Weilchen auf verbindende Freuden zu verzichten haben.
    Vielleicht aber kann er sie jetzt noch anrufen? Fred blickt auf seine Armbanduhr. Zweiundzwanzig Uhr fünfzehn. Eigentlich keine Besuchsstunde mehr … Gerade als er seine Wohlerzogenheit seinen Begierden preisgeben will, läutet das Telefon.
    »Hallo, Chef, hier ist Collin«, tönt es aus dem Hörer.
    »Zum Teufel noch mal, Lieutenant.«
    Die Stimme des Zurechtgewiesenen bleibt gelassen. »Soeben kam ein Anruf aus dem ›Globe-Theater‹. Dort ist offensichtlich heute abend ein Mord passiert. Wahrscheinlich sind es sogar zwei Morde. Ganz schlau bin ich aus dem aufgeregten Gestammel nicht geworden. Und der Chiefinspector …«
    »… der Chiefinspector ist der Ansicht, ich hätte eh zu viel freie Stunden …«, ergänzt Jacklow wütend.
    »So in etwa mag es hinkommen, Chef.« Collin kann ein bestätigendes Lachen nicht unterdrücken. Das besänftigt auch den in seiner Gammelfreude gestörten Inspector. »Haben Sie denn erfahren, wie der Mord passiert ist?«
    »Es muß sich um eine Artistin handeln, die in einem Glasbassin ertrunken ist.«
    »Eine Artistin? Doch nicht etwa Joan Dhiser? Ich war vergangenen Monat im ›Globe‹ und habe sie gesehen.«
    »Doch, Joan Dhiser … das war der Name, der mir genannt wurde. Aber es muß noch etwas anderes vorgefallen sein. Der Ansager soll zu gleicher Zeit einen Herzschlag erlitten haben.«
    »Reichlich konfus, Ihre Erklärungen, Collin«, tadelt Jacklow. »Es ist wohl doch am besten, ich verlasse hier meine Idylle und sehe selbst nach dem Rechten. Daß man sich heutzutage auf die niederen Chargen aber auch nicht mehr verlassen kann. Ich bin in einigen Minuten im ›Globe‹. Wir treffen uns dort.«
    Fred Jacklow legt auf. Zwischen ihm und Collin war dieser lässige Umgangston selbstverständlich geworden. Gerade weil Fred Collin besonders schätzt. Der Lieutenant ist zwar der Typ des farblosen jungen Mannes. Sein Gesicht, seine Figur, sein Gang, seine Stimme, seine Reden gelten als so langweilig, daß man seine Nähe fürchtet und ihm aus dem Wege geht, um nicht die Unhöflichkeit zu begehen und zu gähnen. Was ihn jedoch auszeichnet und ihm den Vorzug einbrachte, an der Seite Fred Jacklows zu arbeiten, war ein blitzschnelles Erfassen der Situation und ein Gedächtnis für Personen, Zahlen und Dinge, das Inspector Jacklow im vertrauten Kreise als einfach phänomenal preist. Und bis heute zeigt sich Collin als das lebende Nachschlagewerk der modernen Kriminalistik; er ersetzt für Jacklow eine umfangreiche Verbrecherkartei.
    In wenigen Minuten ist Fred Jacklow angezogen. In solchen Augenblicken fällt ihm immer der Witz über den Provinztheatertenor ein, von dem zwei Damen schwärmen. Während die eine lobt ›er ist immer so gut angezogen‹, schätzt die andere mehr: ›… und vor allem so schnell.‹
    Fred Jacklow schmunzelt noch, als er schon zum Fahrstuhl geht.
    Der ›Fall Joan Dhiser‹ kommt ins Rollen …

3.
    Auf der Bühne, hinter dem nunmehr ebenfalls herabgelassenen eisernen Vorhang, sind die großen Scheinwerfer erloschen. Nur die starkflammigen Birnen der ersten Beleuchtergalerie schicken noch weißes Licht auf das Häuflein bedrückter und stiller Menschen, die um das große Glasbassin und um die beiden Toten, den mit verzerrtem Gesichtsausdruck daliegenden Bob Rint und die lang hingestreckte, noch im Tod wunderhübsche Joan Dhiser, stehen.
    Direktor Blondie, Jim Dhiser und Inspizient Jack Carter haben sich etwas zurückgezogen und sprechen mit leiser Stimme miteinander.
    Auf die Mordkommission zu warten, ist drückend und äußerst deprimierend. Man kommt sich irgendwie mitschuldig vor, obwohl man weiß, daß man nichts ändern konnte und mit entsetzten Augen wehrlos den Tod der schönsten Frau des Varietés mitansehen mußte. Natürlich hatte man Abend für Abend gewußt, daß die Superattraktion nicht nur ein harmloser Nervenkitzel, sondern ein nacktes Spiel mit dem Tode war … das Leben Joan Dhisers hing an der Gedächtniskunst Bob Rints. Aber niemand hatte es je für nötig gehalten, darüber nachzudenken, was passieren mußte, wenn Bobs Zahlengedächtnis einmal versagte. Und nun war das als unmöglich Verdrängte eingetreten.
    Verstohlen blickt man zu Jim Dhiser hinüber. Für ihn muß der Verlust der geliebten Frau untragbar sein. Obwohl
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