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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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beeindruckende Pose, dachte Kilian.
    Ein langer Moment der Stille. Niemand wagte einen Ton von sich zu geben.
    *
    Nun ist es geschafft. Es ist vollbracht.
    Seht her, ich bin es, die euch dies schenkt. Es ist mein Vermächtnis an die Kunst. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Nun ist es Zeit, mich zu revanchieren.
    Ich sehe euer Erstaunen, eure Sprachlosigkeit vor meinem Werk. Es ist wahr, wie könntet ihr beschreiben, was ihr noch nicht mal erahnen könnt? So war es immer, so wird es auch immer sein. Die wahre Kunst erschließt sich nur dem, der in Ehrfurcht schweigt.
    Der wahre Künstler ist ein Wandler zwischen den Welten. Er ist ein Bote des Göttlichen. Er hat es verdient, von euch verehrt zu werden. Denn ihr seid nicht auserwählt, so wie ich es bin.
    Es ist meine Bestimmung, den Kontakt zu schließen. Eine kleine Berührung, ein Hauch, vielleicht auch nur der Funke, der euch spüren lässt, was die Verbindung zwischen Himmel und Erde bedeuten kann.
    So tretet zurück, fallt auf die Knie und erweist mir Ehrerbietung. Ich schreite voran, will vollenden, was ich begonnen habe.
     
    Franziska war diejenige, die den Stab auf das Pult legte und langsam, dann schneller begann, in die Hände zu klatschen. Dann stimmten die Sänger und Sängerinnen, danach die Techniker hinter und neben der Bühne mit ein. Kilian sah sogar die Garibaldi und Vladimir ehrfurchtsvoll dem verhassten Regisseur Respekt zollen.
    Nun wusste auch das Publikum, dass es an einem Meisterwerk hatte teilnehmen dürfen. Der Applaus begann in den hintersten Reihen, steckte die vorderen an, und selbst die Prominenz und der Ministerpräsident klatschten, als sie erkannten, wie des Volkes Stimme sprach.
    Niemand ahnte, dass das Spiel noch immer nicht vorbei war.
    Franziska führte ihre linke Hand an den Mund, sprach diese letzten aller Worte:
     
    Kalt und unzugänglich
gebiete ich der Liebe.
Ihr Leid will ich genießen,
Ruhm sind mir ihre Qualen.
Denn das ist das Los der Liebe:
Wo man sie abweist, wirbt sie,
wo man sie kränkt, da schwärmt sie,
stirbt, wenn man sie ermutigt,
und lebt, wenn man ihr wehtut.
     
    Kaum waren diese Worte über die Lautsprecher verklungen, schoss eine Stichflamme aus dem Feuerring empor, hüllte den Don Giovanni völlig ein, ja, er schien gar selbst zu brennen.
    Beine, Arme, dann der Oberkörper und der Kopf fingen Feuer. Raimondi hielt sich an der Kanzel fest, er suchte Halt, um hinunterzusteigen, doch dann bewegte er sich keinen Zentimeter mehr. Wie in Zement erstarrte er im Feuer.
    Keiner wusste, was zu tun war, denn alle fragten sich, ob dies noch eine weitere Zugabe war.
    Kilian reagierte als Erster. Er riss einen Feuerlöscher aus der Verankerung, sprang auf die Bühne und hüllte den bereits völlig erstarrten Körper in eine weiße, unschuldige Hülle. Von der anderen Seite kam ein sichtlich überforderter Feuerwehrmann dazu. Auch er hielt mit seinem Löscher auf Raimondi.
    Der Applaus aus dem Publikum hielt an. So wie es weiße Flocken aus dem Himmel über den Höllenschlund regnete, mochte niemand glauben, dass dies wunderschöne Bild den Abschied von einem der größten Opernsänger, die die Welt gesehen hatte, bedeutete.
    Jeanne drückte den Notknopf. Eine Alarmglocke ertönte, begleitet von einem rotierenden Licht. Mit einem Ruck bewegte sich der eiserne Vorhang aus der Verankerung. Er schnitt die Bühne vom Zuschauerraum ab. Binnen einer Minute war er auf dem Bühnenboden angelangt. Jetzt endlich war das Spiel zu
Ende.
    Nun wandte sich Franziska den Zuschauern zu. Ihr Gesicht strahlte vor Freude. Sie verneigte sich tief vor dem großen Kunstverständnis des Publikums.

27
    Der Techniker unterhalb der Bühne war bewusstlos in einer Ecke aufgefunden worden. Seine Aufgabe, die Hebeund Senkbühne zu steuern und die Gaszufuhr am Ring der Kanzel zu regeln, war von einem Unbekannten übernommen worden. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, berichtete er von einem Schlag, der ihn von hinten wie aus dem Nichts getroffen hatte. Hinweise auf den Täter konnte er nicht geben.
    Weit aufschlussreicher wäre ein gelber Sack gewesen, den Paul Batricio beim Verlassen des Mainfrankentheaters in einen Container warf. Die dünne Hülle des Sacks riss, und heraus fielen Gummihandschuhe, wie sie im medizinischen Bereich verwendet wurden, eine Schachtel Munition für eine .38er Smith & Wesson, ein Baumwolltuch, zwei Interkoms und eine fast leere Tube Brandbeschleuniger. Er war von der Sorte Brandgel, wie er
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