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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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Leporello, auf die Bühne. Das Duett
Eh, via buffone
19 war die erste Nummer im zweiten Akt.
    »Was ist los?«, fragte Raimondi.
    Jeanne berichtete: »Stiller ist ausgefallen. Er hat sich den Magen verdorben oder so was Ähnliches. Auf jeden Fall haben wir keinen Dirigenten mehr.«
    Raimondi war im ersten Moment erstaunt, dann lächelte er in sich hinein.
    »Was gibt es da zu grinsen?«, fuhr Jeanne ihn mit unterdrückter Wut in der Stimme an. »Wollen Sie vielleicht auch noch dirigieren?«
    »Nein, nein«, sagte Raimondi. »Aber ich denke, es gibt eine Lösung. Sie sollte eigentlich schon längst da sein.«
    »Wer ist sie?«, fragte Jeanne.
    »Ich natürlich«, antwortete Franziska. Unvermittelt war sie durch die beiden Stahltüren in die Nullgasse gekommen.
    »Du?«, fragte Jeanne erstaunt. Sie wollte ihren Augen nicht trauen.
    »Hast du denn eine Alternative?«, fragte Franziska. Jeanne blickte sich stumm unter den Anwesenden um. Niemand erhob Einspruch.
    »Es muss jetzt jemand raus und eine Ansage machen«, warf Reichenberg ein.
    Es gab nur zwei Personen, die die Ankündigung übernehmen konnten. Reichenberg oder die Moderatorin.
    »Am besten ihr geht beide«, schlug Raimondi vor.
    So geschah es auch. Kurz entschlossen traten sie hinaus, stellten sich dem Publikum.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren«, begann die Moderatorin, »eigentlich wollte ich Ihnen an dieser Stelle den zweiten Akt des
Don Giovanni
ansagen. Doch ich muss Ihnen zu meinem größten Bedauern mitteilen, dass der Generalmusikdirektor und Maestro Beat Stiller plötzlich schwer erkrankt ist. Er befindet sich soeben auf dem Weg in die Klinik …«
    Raunen und Enttäuschung gingen durch die Reihen. Reichenberg beruhigte das Publikum, seine Hände baten um Ruhe. »Sie sind zu Recht enttäuscht. Wir sind alle tief betroffen und hoffen, dass Maestro Stiller bald wieder genesen sein wird.
    Da wir heute das Fernsehen im Hause haben – und ich bin sicher, dass dies auch ganz im Sinne von Maestro Stiller ist –, möchten wir die Vorstellung an dieser Stelle nicht abbrechen, sondern sie mit einem großen Talent aus unserem Hause zum Abschluss bringen …«
    Neugierde auf den zweiten Überraschungsgast des Abends besänftigte die unruhigen Zuschauer.
    »Sie ist seit vielen Jahren in unserem Hause tätig und ist eine ausgesprochene Fachfrau, wenn es um Mozart geht. Ihre Interpretation der Zauberflöte wurde jüngst viel bejubelt in Schweinfurt aufgeführt.
    Darf ich Ihnen nun die neue Dirigentin des heutigen Abends vorstellen: Franziska Bartholomä.« Reichenberg wies mit der Hand zur Seite, der Spot folgte ihr. Hinter dem Vorhang trat Franziska hervor. Sie wirkte sehr konzentriert und hatte ein verhaltenes Lächeln auf den Lippen. Ein warmer Applaus hieß sie willkommen. Sie verbeugte sich und stieg die beiden Stufen hinunter zum Orchestergraben. Am Pult stehend, blickte sie auf ihr Orchester. Würden sie sie annehmen? Sie verbeugte sich abermals vor ihnen. Das Licht verlosch, der Vorhang der Bühne öffnete sich. Niemand war zu sehen.
    Franziska wartete noch einen Moment, bis absolute Ruhe eingekehrt war. Dann führte sie den linken Ärmel zum Mund und sprach in das Mikrophon. Ihre Stimme war sanft, überraschend tief für eine Frau.
    »Wir wandeln durch des Tones Macht, froh durch des Todes düstre Nacht.«
    Jeanne schreckte hoch. Das war eine dieser mysteriösen Durchsagen, die ihr den letzten Nerv geraubt hatten. Es war also Franziska, die ihr diese Streiche gespielt hatte.
    Das Zitat aus der Zauberflöte, in die Dunkelheit gesprochen, gab der Atmosphäre eine seltsame Intensität. Jeder im Raum spürte sie.
    Franziska nahm Stillers Dirigentenstab zur Hand, hob beide Arme und blickte in die Augen ihrer Musiker. Jetzt kam es darauf an. Würden sie ihr folgen? Franziska konzentrierte sich, schloss die Augen. Es waren nur eineinhalb Takte, bevor der
Don Giovanni
mit Leporello auf die Bühne stürmen und sein Eh, via buffone anstimmen würde.
    In diesen eineinhalb Takten würde sich zeigen, ob die Musiker mitzogen.
    Sie senkte die Arme, den Stab voran.
    Vier schnelle Viertel im Allegro assai eines Dreivierteltaktes erklangen aus dem Graben vor ihr, dann eine Viertelpause. Auftritt
Don Giovanni
.
    Raimondi kam, von Leporello gefolgt, aus der Nullgasse auf die Bühne. »Eh via buffone, eh via buffone, non mi secar.«
    Den ersten ermutigenden Applaus erntete Franziska nach dem Terzett Ah taci, ingiusto core, gesungen von Raimondi, Roman und Debbie
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