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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Autoren: Roman Rausch
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sich Reichenberg hier auf. Tatsächlich, er sah ihn einsam der Musik lauschen. Ihm gegenüber Mitarbeiter des ZDF, ebenfalls andächtig.
    »Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Kilian.
    »Muss das jetzt sein?«, antwortete Reichenberg verärgert.
    »Ja.« Er packte Reichenberg am Arm, zog ihn von den Lautsprechern weg.
    »Was gibt es denn so Eiliges?«, fragte Reichenberg.
    »Das Finale findet gleich statt.«
    »Genau darüber will ich mit Ihnen reden.« Reichenberg zeigte sich erstaunt.
    Kilian hatte nicht mehr viel Zeit. »Jetzt reden Sie. Was ist die große Überraschung?«
    »Gehen Sie auf die Bühne und sehen Sie selbst.«
    »Ich will es jetzt aber von Ihnen hören.«
    Reichenberg gab nach. »Es soll eine Überraschung werden. Franziska hat ein neues Ende für den Don Giovanni geschrieben. Raimondi wird die Arie singen.«
    Kilian stutzte. »Und? Was passiert sonst noch?«
    »Was soll mehr passieren? Reicht das etwa noch immer nicht?«
    »Ich meine, was passiert darüber hinaus, dass Raimondi diese Arie singen wird?«
    Der bedrückende Bass des Komturs schallte durch den Gang.
Don Giovanni
wehrte sich. Der Komtur wollte Reue, doch
Don Giovanni
blieb sich treu, widerstand der Gnade.
    »Wir haben einen kleinen Spezialeffekt vorbereitet, der die Arie und
Don Giovanni
besser in Szene setzen soll.«
    »Worum handelt es sich da genau?«
    Kilian wurde unruhig. Er hörte, wie die Vorgänge auf der Bühne sich immer weiter zuspitzten. Die Höllenfahrt stand kurz bevor. Franziska stachelte die Streicher, Bläser und Pauken im Orchester auf, ein ohrenbetäubender Lärm, das Geschrei
Don Giovanni
s, der ungnädige Bass des Komturs. In den kahlen Mauern des seelenlosen Gangs wirkte dieses Zusammenspiel, als führe tatsächlich das ganze Haus und mit ihm Sänger, Musiker und Zuschauer in die Hölle. Der Lärm war kaum mehr auszuhalten. Kilian hielt sich schon die Ohren zu. Franziska übertrieb es.
    Mit einem Schlag war es vorbei.
Don Giovanni
war tot, und die Überlebenden würden seinen Abgang als Grund nehmen, ihr Leben auf diese oder jene Weise fortzuführen. So weit entsprach der Verlauf der originären Feder Mozarts und da Pontes, des Librettisten.
    Aus dem Treppenhaus hastete Raimondi in den Gang, geradewegs in die Maske. Er hatte genau sieben Minuten und dreißig Sekunden Zeit, geschminkt wieder an Ort und Stelle zu sein.
    »Jetzt sagen Sie endlich«, wiederholte Kilian. Reichenberg wollte nicht mehr reden, entriss sich Kilians Griff. »Kommen Sie mit auf die Bühne und schauen Sie es sich einfach an. Ich werde mir das auf jeden Fall nicht entgehen lassen.«
    Kilian zögerte. Sollte er sich um Raimondi kümmern oder Reichenberg auf die Bühne folgen? Wenn es zu einem Zwischenfall kommen sollte, dann auf der Bühne, nicht in der Maske.
    Kilian schritt durch die beiden Stahltüren. Im Zwischengang hatte er eine weitere Tür gesehen, war aber nie hindurchgegangen. Er öffnete sie. Sie führte hinaus ins Treppenhaus, aus dem Raimondi gekommen sein musste und in das er auch für seinen letzten Auftritt wieder zurückkehren würde, um von dort unter die Hebebühne zu gelangen.
    Wieder dachte er über die zwei Möglichkeiten seines Handelns nach. Und wieder entschied er sich für die falsche. In der Nullgasse neben Heinlein angekommen, sah er hinaus auf die Bühne. Alle Sänger und Sängerinnen hatten sich um den Höllenschlund versammelt, schauten ungläubig nach unten, besangen ihre Zukunft.
    Auf der gegenüberliegenden Seite waren die übrigen Mitspieler zum großen Abgesang versammelt. Die Garibaldi, Vladimir, Takahashi und Marianne Endres. Sie alle sollten Zeugen sein, sie alle wünschten Raimondi den Tod.
    Doch nur eine würde es bewerkstelligen können. Das wurde Kilian schlagartig klar.
    Und diese Frau war Franziska Bartholomä, die ehemalige Souffleuse und jetzt begeisternde neue Dirigentin.
    Nur, wie wollte sie es anstellen? Es gab keinen Hinweis auf einen möglichen Anschlag. Zumindest sah ihn Kilian nicht.
    Das Quintett ging zu Ende, so auch die sieben Minuten, die die letzte Arie im Originalskript dauerte.
    Kilian blickte in den Orchestergraben. Franziska gab ihren Musikern Zeichen, das neue Notenblatt aufzulegen.
    Ein Moment der Stille verstrich.
    Dann brach Applaus los. Bravo-Rufe gesellten sich dazu.
    Für alle überraschend drehte sich Franziska jedoch nicht um, sondern hob beide Arme, gab das Zeichen zum Einsatz.
    Wie es Kilian bei der Probe gehört hatte, begann das Thema zu Rispettate, jetzt vom ganzen
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