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Der Gerechte

Der Gerechte

Titel: Der Gerechte
Autoren: Jason Dark
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ein Summen mit. Nessé hatte heute seine gute Phase, er summte einen alten Beatles-Song.
    »Hör auf damit, Mann!«
    »Okay, Jeff, mach’ ich. Keine Feindschaft.« Er fügte noch etwas in der französischen Sprache hinzu, was Goldblatt ärgerte, denn er verstand die Worte nicht, und er hatte deshalb immer das Gefühl, von Nessé verspottet zu werden. Zwar hatte ihm dieser angeboten, durch seine Hilfe die Sprache zu lernen, aber Jeff wollte nicht. Er war einfach zu träge.
    Sein Blick traf die Lampe.
    Sie war so in die Decke integriert worden, daß sie nicht herausgerissen werden konnte. Außerdem besaß sie einen Schutz aus Panzerglas, den selbst ein hart geworfener Stein nicht zertrümmern konnte. Gegen 22.00 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Wer dann noch etwas sehen wollte, mußte sich auf seine Taschenlampe verlassen.
    Goldblatt sagte nichts.
    Stille legte sich über die Zelle.
    Aus den anderen hörten die beiden Männer irgendwann Geräusche. Mal einen Fluch, auch ein Schreien, grelles Lachen, irgend jemand drehte immer durch.
    Es war ein Tag gewesen wie viele zuvor, und es würde auch eine der üblichen Nächte werden, denn in diesem verfluchten Knast veränderte sich nichts.
    Oder doch nicht?
    Jeff wußte nicht, wie es kam, aber er war schon den ganzen lag über nervös gewesen, hatte sich bei der Arbeit immer umgeschaut, weil er das Gefühl gehabt hatte, jemand hätte hinter ihm gestanden und ihn belauert. Das stimmte nicht.
    Niemand war da gewesen. Nur hatte er dieses Gefühl einfach nicht stoppen können, und das wiederum bereitete ihm Sorge. Irgend etwas stimmte an diesem Tag nicht, einiges war anders, und nach dem Essen war seine Unruhe gewachsen.
    Auch jetzt schwitzte er.
    Der Schweiß lag auf seiner Stirn wie ein Film. Er erinnerte ihn an Säure, als er in seine Augenwinkel tupfte. Er wischte ihn weg. Auch sein Magen spielte wieder verrückt. Er produzierte Säure, die hochstieg und im Mund einen widerlichen Geschmack hinterließ, als hätte er rostiges Wasser getrunken.
    Unter ihm leerte Nessé seine Blase, zog ab, und das gurgelnde Geräusch ließ Goldblatt erschaudern.
    Darüber wunderte er sich.
    Es war normal, so verdammt und verflucht normal. Nichts hatte sich verändert.
    Und doch…
    Nessé schlug gegen sein Bett. »He, Jeff, was hast du, verdammt? Was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    »Doch, ich spüre es.«
    »Leck mich!«
    Nessé lachte. »Hast du den Zellenkoller? Sollen wir beide mal richtig Randale machen? Wenn ja, kostet das Punkte, aber wenn es dich befreit, bin ich dabei.«
    »Nein!«
    »Dann nicht.«
    Goldblatt hörte, wie sich Nessé wieder setzte. Er blieb hocken, dann legte er sich doch zurück, und die alte Matratze knarrte erbärmlich. Etwas stimmte nicht. Doch die Zelle sah aus wie immer. Die Geräusche waren die gleichen, die Schritte der Wärter auf dem Flur, ihre Unterhaltungen, ihr Lachen, das meist Spott ausdrückte, wobei sie sich darüber lustig machten, daß die anderen in der Zelle saßen und nicht sie. Goldblatt hatte das Gefühl, als würde in den nächsten Stunden etwas passieren.
    Draußen war es kalt.
    Die Heizung in der Zelle funktionierte zwar, aber sie gab ein so ungewöhnliches Summen ab, das darauf hindeutete, daß sie bald repariert werden mußte.
    In der Zelle war es stickig, das Atmen eine Qual.
    »Geht es dir gut, Jeff?«
    »Wunderbar«, preßte er hervor.
    Nessé lachte. »Ja, ich fühle mich auch wie eine Taube, die bald den Knast verlassen wird.«
    »Aber eine mit lahmen Flügeln, wie?«
    »So ähnlich.« Er überlegte einen Moment. »Weißt du, was ich möchte, Jeff? Den verdammten Oberaufseher mit einer Schrotladung durchlöchern und die Reste in einen Eimer stampfen.«
    »Dabei helfe ich dir.«
    In der nächsten Zeit hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Einmal glotzte ein Wärter durch die Türklappe in die Zelle.
    Das schwache Licht sah aus wie bläulich glänzendes Blech und warf einen Schimmer in die Zelle.
    »Alles in Ordnung, Fans?«
    »Hau ab!« sagte Nessé.
    »Gute Nacht und schöne Träume, ihr beiden.«
    Nessé würgte. Als die Klappe wieder geschlossen war, zischelte er: »Ein Scheißkerl, dieser Glotzer.«
    »Genau.«
    Das Licht verlosch.
    Tiefe Finsternis senkte sich zwischen die vier kahlen Zellenwände und hüllte sie ein. Beide Gefangene hatten das Gefühl, eingekerkert zu sein, aber nicht in einer Zelle, sondern in einem großen Sarg tief unter der Erde, wo ihn kein Sonnenstrahl und kein noch so winziger Lichtstreifen erreichen
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