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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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Ledersesseln. Ich ging nicht über den Notruf 110, sondern wählte die normale Nummer des Polizeireviers in Adenau.
      Ich sagte: »Hier ist Siggi Baumeister im Haus des Generals Otmar Ravenstein, zwischen Hochacht und Kaltenborn. Sind Sie hier zuständig?«
      Seine Stimme war jung. »Sind wir. Was ist los?«
      »Der General ist erschossen worden.«
      Eine Weile war es still. »Unfall?«
      »Kein Unfall. Erschossen!«
      »Wer sind Sie?«
      »Siggi Baumeister, Journalist.«
      »Was machen Sie da?« Seine Stimme kam sehr zögerlich, wahrscheinlich ruderte er verzweifelt mit beiden Armen, um seine Kollegen auf sich aufmerksam zu machen.
      »Ich bin hierhergekommen, um mit ihm zu klönen, guten Tag zu sagen. Nur so.«
      »Sie sind also in seinem Haus?« Er versuchte Zeit zu schinden.
      Ich explodierte. »Hören Sie zu: Sind Sie begriffsstutzig? Ich bin hier in seinem Haus, und ich bleibe auch hier. Der General liegt hier vor mir, erschossen, und zwar nicht von mir. Haben Sie das endlich?«
      »Jaahhh. Und bitte, bleiben Sie...«
      »Großer Gott!« sagte ich wütend und hängte ein.
      Was tut man eigentlich, wenn man einen Menschen findet, der erschossen wurde? Ich erinnerte mich an unzählige Krimis: Gewöhnlich war bei der Auffindung eines Ermordeten das Chaos ausgebrochen. Hier gab es kein Chaos, nur Stille, eine in den Ohren dröhnende Stille.
      Auf was mußte ich achten?
      Ich hockte mich erneut neben den General auf die Kiefernbretter und dachte verwirrt: Wer war er eigentlich?
      Wann und wie haben wir uns kennengelernt? Wie oft habe ich ihn gesehen? Was habe ich über ihn gelesen? Was sagte er selbst über sich? Und dann die einfache Frage: wer waren seine Feinde? Er mußte Feinde haben, denn er war ein General. Oder war er ein General ohne Feinde und mußte deshalb sterben?
      Kann ein Mörder in ein Haus gehen, jemanden töten und ohne jede Spur verschwinden? Ich war mir sicher, daß diese Möglichkeit bestand.
      »General, Du machst mir Kummer.«
      Nichts an seinem Gesicht war verzerrt, es wirkte fast gelöst.
      Das Telefon klingelte, aber nicht normal. Es war nur der Bruchteil eines normalen Klingelzeichens, keine Sekunde lang. Irgend jemand hatte sich jetzt in die Leitung eingeklinkt, und niemand würde von jetzt an von diesem Apparat sprechen können, ohne daß automatisch Tonbänder mitliefen. Ein General ist allemal ein Geheimnisträger, aber welche Geheimnisse dieser tote Otmar Ravenstein gehütet hatte, wußte ich nicht.
      Das Blut wurde immer dunkler, zusehends fester - ein Kuchen, ein Panzer für seine tote Haut.
      »Himmel, wer hat dich so gehaßt, daß er dich tötete?«
      Ich versuchte, das Wort zu finden, mit dem ich diesen Mann beschreiben konnte, wenn mich jemand nach ihm fragte. Dann fiel mir ein Wort ein: sanft. Wie kann ein General denn sanft sein? Dann fiel mir ein zweites Wort ein, sanft und hart. Knallhart? Dummes Wort, unklar.
      Woher kam er, als er seinen Mörder sah?
      Ich stand auf und ging erneut in das Bad. In der Wanne stand Wasser, leicht blaues Wasser, immer noch lauwarm. Er hatte also baden wollen. Natürlich, er hatte Holz gespalten, er wollte baden. Hatte er sich rasiert? Ja, der Rasierpinsel war naß, und um den Fuß des Pinsels stand eine kleine Wasserlache. Er war also wirklich im Bad, als Jemand ihn rief oder als er jemanden hörte. Er kam durch die Badezimmertür in den Wohnraum und ging die vier, fünf Schritte in Richtung auf die Fenstertüren. Dann trafen ihn die Schüsse und warfen ihn um einen, zwei Meter zurück. So konnte es gewesen sein, aber es mußte nicht unbedingt so gewesen sein.
      Ich ging in die Küche. Sie war das, was man blitzsauber nennt, und ich erinnerte mich daran, daß er irgendwann erwähnt hatte, er habe eine Hausfrau aus Kaltenborn engagiert, die zweimal in der Woche gründlich bei ihm putzte.
      Noch einmal in den oberen Raum, in sein Allerheiligstes, die Wendeltreppe hoch. Er hatte die Fichtendielen hier mit Schiffslack streichen lassen, an den Wänden Tausende von Büchern. Über den Fenstertüren im Erdgeschoß war ein sehr großes, halbrundes Fenster eingelassen, zur Hälfte von dem breiten Messingbett verstellt, zur anderen Hälfte von einem Schreibtisch mit einem Lederstuhl davor. Kleine Wollteppiche aus Schweden, in allen Farben des Regenbogens gewebt, fröhlich, lustig, ein wenig atemlos. Über dem Bett lag eine große, grellrote Tagesdecke, die auch nach IKEA
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