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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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die Tannenbretter des Fußbodens gelaufen. Sehr viel davon hatte der schwedische Wollteppich aufgesogen, der neben ihm unter den Möbeln der Eßecke lag.
      Es war still in diesem schönen Haus unter den hohen Buchen. Ich rief unsinnigerweise ein paarmal »Hallo!« Ich glaube nicht, daß ich laut rief, ich glaube, ich krächzte nur gegen diese entsetzliche Stille an.
      Er lag da wie ein Gekreuzigter. Ein Teil seines Blutes war in zwei großen Lachen unter seine Achseln gelaufen. Unter seiner rechten Achselhöhle glänzte es wie ein Spiegel und sah ganz frisch aus. Ich mußte viel Kraft aufbringen, um ihn anzufassen, und ich hatte erhebliche Schwierigkeiten, eine Stelle seines Körpers zu finden, an der kein Blut war. Offensichtlich hatte er im Fallen die Hände vor das Gesicht geschlagen, es war einfach überall Blut.
      Ich machte einen Schritt nach hinten und hörte dabei den harten Absatz meines Slippers auf den Dielen. Erschreckt stellte ich fest, daß ich viel zu laut war. Wie eine Explosion überkam mich die Vorstellung, in diesem HaUs mit dem Toten nicht allein zu sein. Vielleicht wartete irgendwo der Mörder? Auf einmal bekam ich keine Luft mehr.
      Ich schlüpfte aus den Slippers und trat so leise auf wie möglich. Ich sah in den Windfang, ich sah in das Bad, ich sah in die Küche. Dann wagte ich mich die Wendeltreppe hinauf; das Herz schlug mir bis zum Hals. Sicherheitshalber sah ich sogar unter das große Messingbett. Ich war allein mit dem Toten.
      Ich ging Wieder hinunter und spürte das Zittern meiner Hände. Auch die Oberschenkel zitterten, und ich hatte plötzlich panische Angst; meine Beine versagten den Dienst. Mit einer großen Anstrengung kniete ich mich neben ihn und zog ihm vorsichtig die mit Blut durchtränkte Hose über dem Bauch ein wenig herunter. Das Blut war noch nicht ganz trocken, der weiße Bauch fühlte sich zwar kühl an, aber totenkalt war er nicht. Dann riskierte ich, mit dem Zeigefinger in eine der Blutlachen neben dem Körper zu tippen. Als ich den Finger aus der Lache zog, blutete er.
      Ich hatte keine Ahnung, was das genau bedeutete, aber lange konnte er noch nicht tot sein. Ich wischte das Blut mit einem Papiertaschentuch ab, setzte mich dann neben ihn auf den Fußboden und stopfte mir mechanisch eine Pfeife.
      »So eine verdammte Scheiße!« sagte ich laut.
      Dann wurde mir bewußt, daß das Haus dämmrig dunkel war und daß mich immer stärker eine geradezu lähmende Angst beschlich. Ich schaltete ziemlich hektisch alle Lampen ein, ging dann vor das Haus und holte aus meinem Wagen das Diktiergerät.
      »Die Szenerie ist wie immer. Hinter dem Haus stehen sein schwarzer Porsche Carrera und der kleine Suzuki Jeep. In beiden Fahrzeugen stecken die Schlüssel. Er hat wohl Holz gehackt, denn die Scheite sind frisch, und auf dem Hackklotz steckt eine Axt. Die Haustür steht wie immer offen, die Fenstertüren auf der gegenüberliegenden Seite auch. Die Türe nach hinten hinaus genauso. Ich finde ihn auf dem Rücken liegend neben dem Eßtisch. Auf seinem Körper ist überall Blut, auf seinen Armen und Händen auch, auf seinem Gesicht auch. Es ist so viel Blut, daß man schon genau hinsehen muß, um festzustellen, daß er von mindestens sieben Kugeln getroffen wurde. Alles Einschüsse vom Unterbauch bis zum Hals. Stopp, Korrektur: Ich bin gar nicht sicher, ob das Einshußlöcher sind. Kann sein, daß alle Kugeln in den Rücken einschlugen. Aber dann müßte er ja wohl auf dem Bauch liegen.
      Der Wohnraum sieht nicht nach einem Kampf aus. Ich entdeckte keine Kugeln und keine Geschoßhülsen, weder im Wohnraum noch draußen vor den Fenstertüren. Nicht einmal die Stühle am Eßtisch unmittelbar neben der Leiche sind bewegt worden, sie stehen in Reih und Glied, zwei auf jeder Tischseite. So, wie ich die Situation jetzt begreife, kann jemand das Haus durch eine der offenen Türen betreten haben. Dann kam der General auf ihn zu und wurde dabei erschossen. Es scheint, daß der General aus dem Bad kam, denn er muß sich gerade die Hände gewaschen haben. Die linke Hand ist jedenfalls frisch gewaschen. Am Schnürband seines rechten Turnschuhs ist ein Buchenholzspan. Soweit ich weiß, habe ich nur die Klinken der Türen zum Bad und zur Küche berührt, ferner das Geländer der Wendeltreppe. Jetzt berühre ich das Telefon, es ist 21.03 Uhr.«
      Das Telefon stand auf einem kleinen, runden Tisch neben dem Kamin, darum herum eine Gruppe von drei tiefen, schwarzen
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