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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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sagte der Kleine, »das sagt man uns nicht.« Dann zündete er sich eine Zigarette an, und ich stopfte mir die Amber von Georg Jensen.
      »Ich möchte wissen, wer ein Interesse daran haben kann, diesen General so zu zerschießen.«
      »Wenn Sie das nicht wissen, wer dann?« fragte er, als könne er mir den Vorwurf kindlicher Naivität nicht ersparen.
      »Ich kenne ihn nur privat, und auch das kaum sehr nahe; ich habe beruflich nie mit ihm zu tun gehabt. Wir haben uns überhaupt nur vier- oder fünfmal in unserem Leben gesehen. Er war ein Eifelfreak wie ich, aber sonst weiß ich eigentlich nichts.«
      »Ja, stimmt. Sie trafen ihn im August letztes Jahr zum ersten Mal«, murmelte der Kleine. »Das wissen wir. Aber wir dachten, Sie wüßten...«
      »Woher wissen Sie das mit August?«
      »Na, von den Leuten vom Personenschutz«, erwiderte er leichthin.
      »Die kommen schon mal in der Wache vorbei, wir klönen, und sie sagen uns, was ihr Schützling so treibt...«
      »Ob Sie es glauben oder nicht: Das erste, was mir an seiner Leiche auffiel, war die Tatsache, daß ich nichts von ihm weiß. Was sollte ich denn eigentlich wissen?«
      Sie sahen sich an, und der mit dem dunklen Schnäuzer schüttelte fast unmerklich den Kopf.
      »Ich kriege es sowieso raus«, meinte ich leichthin.
      »Ja, ja.« Der Kleine, der Böhmert hieß, dehnte die Vokale. »Also der General war einer der Handvoll Leute, die die gesamte atomare Zielplanung der NATO im Kopf haben...«
      »Er wußte also, wo die NATO ihre Atombomben hinschmeißen will, wenn es Krieg gibt?«
      »Richtig. Er war einer der genau sechs Leute, die die Geheimhaltungsstufe ATOMAL haben, oder NATO-COSMIC.«
      Ich fühlte tausend wütende Wespen im Bauch. »Wenn das so ist, dann nutzt er irgendwelchen Leuten doch nur lebend.«
      »Das ist ja das Komische«, bestätigte Böhmert nachsichtig. »Es sei denn, er hat vorher geredet und ist anschließend erschossen worden.«
     
     

* Zweites Kapitel
     
    Nicht daran rühren! dachte ich. Nicht sofort nachfragen. Lenk sie ab.
      »Wer kommt denn jetzt her, um die Sache zu untersuchen? Wie läuft so etwas?«
      Der mit dem dunklen Schnäuzer hatte sich ausgeschaltet, wollte nicht mehr mitspielen, hatte wohl den Spruch im Sinn: Wer nichts sagt, kann auch nichts falsch machen. Er schlenderte einfach davon.
      Horst Böhmert räusperte sich; er war bereitwilliger. »Zunächst einmal fiel der General unter die Rubrik der unbedingt schutzwürdigen Personen, obwohl er gar nicht mehr im Dienst war. Aber er wußte zuviel. Wir haben ein paar davon hier in der Gegend. Lauter wichtige Leute aus Bonn. Wir sind nur die Statisten, wir kriegen unsere Anweisungen. Da steht im Dienstbuch: Wenn mit diesem oder jenem irgend etwas ist, mußt du der Reihe nach folgende Nummern anrufen. Beim General waren es gleich sechs Telefonnummern. Zusätzlich muß der Vorgesetzte aus dem Bett geholt werden, dann noch eine direkte Information an den jeweiligen Bundesminister und so weiter. Wer jetzt untersuchen wird, weiß ich auch nicht.«
      »Sechs Nummern in Bonn?«
      »So ist es«, bestätigte er. »Wissen Sie, was ich nicht verstehe? Da muß ich Sie fragen, weil mich das interessiert. Wie kommt man eigentlich als Mann dazu, freiwillig in der Eifel zu leben? Ich meine, Sie tun das, der General war auch so einer. Ich kann mir das nicht vorstellen.«
      Jeder Journalist kennt das: Jemand, der sich ausgefragt fühlt, dreht den Spieß um und fragt selbst. Eine Umverteilung der Gewichte.
      »Sie sind verheiratet, nicht wahr?« fragte ich.
      »Ja, bin ich.«
      »Die Männer, die allein hier leben, haben fast alle auch mal Familie gehabt, aber irgend etwas ist schiefgegangen. Dann kommt die Phase, in der man allein leben möchte. Die Eifel ist ein Ort, an dem man das kann. Es ist die Sorte Einsamkeit, die man will, über die man sich freut.«
      »Und der General? Was war das bei dem für eine Sorte Einsamkeit?«
      »Das weiß ich nicht. Ich weiß, er las viel, er dachte viel nach. Und diese Typen haben alle begriffen, daß sie allein am besten zurechtkommen.« Dann fiel mir etwas ein. »Hatte er eigentlich Familie?«
      »Hatte er. Aber er hatte wohl nix mehr damit am Hut. Alte kaputte Sache, darüber wissen wir nichts.«
      »Sagen Sie, der General muß doch eine Zweitwohnung gehabt haben. Wegen der Schränke.«
      »Hatte er tatsächlich. Wieso wegen der Schränke?«
      »In diesem Haus gibt
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