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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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keine Spuren finden, das ist mal sicher.«
      »Sie meinen Spuren, die man nicht sieht?«
      »Ja. Mikrospuren. Sie kennen das ja. Wenn der Täter mit einer Jacke einen Türpfosten streift. Die Spurenleute finden raus, welche Farbe die Jacke hatte, wer sie fabrizierte und wo und wann sie gekauft wurde. Die da drin haben jetzt alles zerdeppert, jeder einzelne hat Spuren gelegt, 25 Mörder.«
      »Aber das wissen die doch.«
      »Sicher wissen sie das, und wahrscheinlich... Na ja, geht mich ja auch nichts an.«
      »Wer ist da drin der Wichtigste?«
      »Weiß ich nicht«, murmelte er desinteressiert. »Wir wollten heute abend ins Kino, meine Frau und ich. Candy Mountain, kennen Sie den?«
      »Nein. Wer ist der Mann im blauen Anzug in der Eßgruppe? Der, der auf dem Stuhl sitzt?«
      »Weiß ich nicht.«
      In einer Gruppe von angeblich gleichrangigen Männern ist immer einer der König. In der Regel hält er sich eine Spur abseits. Dieser hier, ein schlanker, schwarzhaariger Schönling, sicher einen Meter neunzig groß, hatte sich auf den äußersten Stuhl der Eßecke gesetzt. Er redete mit dem kugeligen Dicken, der mir ein paar Worte gegönnt hatte. Der Kugelige stand vor ihm, den Kopf nach vorn geneigt, sehr konzentriert, während der Schönling auf eine merkwürdige Weise sprach: Er sah den kleinen Dicken nicht an, er machte auch keine normalen Mundbewegungen, er schien die Worte aus sich hinauszupressen, als sei er bemüht, einen Bauchredner zu imitieren. Unter den anderen Männern waren viele, die für eine Sekunde zu diesem Paar hinblickten.
      »Die Wichtigsten sitzen rechts außen«, sagte ich.
      »Denke ich auch gerade. Meine Frau ist stinksauer, und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Ich rede nur noch von Überstunden.«
      »Bringen Sie ihr Drachenfutter. Pralinen oder Blumen oder so was. Was passiert eigentlich, wenn ich jetzt da hineingehe?«
      »Erst einmal gar nichts vermutlich«, meinte er. »Solange Sie den beiden Bossen nicht auffallen, wird nichts passieren. Aber das darf ich nicht zulassen.«
      »Dann gehen Sie doch Ihre Truppe inspizieren.«
      »Warum nicht?« überlegte er.
      »Wann kommt die Staatsanwaltschaft?«
      »Die hat keinen Hubschrauber, die kommt mit dem Auto. Aber um Himmels willen nicht fotografieren und so.«
      »Sehen Sie einen Apparat?«
      Er grinste, schaute angelegentlich auf meine ausgebeulten Jackentaschen, stand auf und verschwand um die Hausecke.
      Ich schlenderte rauchend und angestrengt nachdenklich aussehend auf die offenen Türen zu. Ich drückte auf die Aufnahmetaste des Bandgerätes in der Tasche, ließ aber die Kamera zunächst drin. Die Männer sollten sich an mich gewöhnen.
      Ich blieb neben der Leiche stehen und starrte sie an. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, daß niemand auf mich achtete. In der Luft lag das feine Gemurmel einer heiter-vornehmen Cocktailparty. Ich bewegte mich nach links zur Stirnseite des Raumes hin, dort, wo die Ledersessel vor dem Kamin standen. Dann hatte ich Glück.
      Ein großer Mann mit einem Gesicht wie ein Catcher fragte mit fast unnatürlich hoher Stimme: »Na, was sagt der Journalist zu diesem Fall?«
      Ich drehte das Mikro in der Tasche auf und antwortete: »Der Journalist fühlt sich hilflos. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum es passiert ist und wer es war.«
      »Sie wollten nichts Dienstliches von ihm, ich meine, nichts Berufliches?«
      »Nein. Hier in der Eifel sind wir total privat. Das ist hier eine Regel im Zusammenleben.«
      »Bei uns auf Sylt auch«, sagte ein zweiter affektiert. »Wo kämen wir auch sonst hin?« Er war ein ganz junger blonder Mann, dessen Schneidezähne etwas vorstanden.
      Der kugelige Dicke im Hintergrund hatte mich jetzt im Blick, aber er zuckte nicht zusammen, seine Augen weiteten sich nicht, also akzeptierte er es bisher.
      Ich nahm die Kamera aus der Tasche und hockte mich auf eine unbesetzte Sessellehne. Der junge Blonde hauchte hastig: »Um Gottes willen, keine Fotos!«
      »Mit dem Ding in der Tasche kann ich aber nicht sitzen«, sagte ich freundlich. Während ich die Kamera an mich heranzog und wieder in die Tasche steckte, fotografierte ich die Runde. Sie lachten erleichtert, und ich zündete geruhsam die Pfeife wieder an. »Was glauben Sie, wie lange es noch dauert? Ich kann nämlich nicht weg, solange die Spurenleute nicht da sind.«
      Der, der wie ein Catcher aussah, kannte sich aus. »Wir werden gleich
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