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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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noch nicht entschieden.
      Ich muß eingeschlafen sein; denn ich wurde abrupt wach, weil Krümel dicht neben mir im Gebüsch aufgeregt zischte. Irgendwo mußte eine streunende Katze sein. Die Sonne hing groß und tiefrot im Südwesten, es war acht Uhr abends. »Du lieber Himmel, warum hast du mich nicht geweckt?« Krümel war hinter einem Weidenbusch verschwunden, und als ich sie rief, kam sie nur widerstrebend und hatte vor lauter Aufregung einen Schwanz wie ein Fuchs.
      Wir hockten noch eine Weile träge beieinander. Die sanften Hänge links und rechts waren ein Meer in Gelb, der Ginster blühte. Da, wo die Hänge schroffer wurden, wo Schiefernasen sich weit vorschoben, waren die Standorte der Steingewächse, deren Farben von leuchtend hellem Grün bis zu tiefem Violett reichten. Das Altrosa der blühenden Wiesengräser hob sich klar von den unendlich vielfältigen Grüntönen der Wälder ab. Das war die Eifel, die ich brauchte wie die Luft zum Atmen. »Laß uns zum General fahren«, beschied ich meine Katze spontan, und sie sprang in das Auto, als habe sie mich verstanden. Ich muß mich heute fragen, ob ich irgendeine Vorahnung der blutigen Katastrophe hatte. Aber es war nur ein wunderbarer Sommertag, und ich dachte nicht an den Tod, schon gar nicht an Mord.
      In Müsch bog ich links in die Bundesstraße 258 ein, die Aachen mit Koblenz verbindet. Bis zum Nürburgring mußten wir in Kauf nehmen, von wildgewordenen BMWs, Suzukis, Kawasakis, Hondas und Yamahas umzingelt zu sein, aber das gab sich, als wir an der Hohen Acht auf Adenau zu abbogen. In einer Linkskehre geht es in eine schmale Straße, die über Hochacht in Richtung Kaltenborn führt. An diese Straße, ein wenig zurückgesetzt, kaum sichtbar für den Unkundigen, hatte der General seine Jagdhütte in den Dom achtzig Jahre alter Buchen gesetzt. Ein kaum glaublicher Ort, einer, der selbst Atheisten in andächtige Stimmung versetzt.
      Das Haus war ein zwölf Meter langer und acht Meter breiter Bau, mit dem Giebel zur Straße hin gesetzt, vollkommen aus Holz und mit einem voll ausgebauten Dachgeschoß. Die Leute in der Gegend erzählten voll Hochachtung, der General habe unnachgiebig darauf bestanden, keinen einzigen Baum wegen des Baus zu fällen, was ihm bis auf zwei Ausnahmen gelungen war. Diese zwei Bäume hatten weichen müssen, damit ein kleiner Baukran zur Baustelle hatte Vordringen können. Auch sonst hatte der General eigensinnig seine Vorstellungen durchgesetzt. Das Ergebnis war ein unaufdringliches Haus mit ganz eigenem Charakter, das so wirkte, als sei es direkt aus der Erde gewachsen; Der Wald diente als Garten, und wenn ich je eine Idylle gesehen habe, dann war das eine.
      Die letzte Sonne tanzte auf dem Waldboden, bildete große, goldene Teiche. Die hohen Bäume rauschten sanft, es war unwirklich still. Zwischen den großen Moospolstern waren Frauenfarn und Adlerfarn hochgeschossen und bildeten hellgrüne Zungen gegen das dämmrige Licht. Hohe Halme des Nickenden Perlgrases waren in den Moospolstern gewachsen und wiegten sich sanft. Hinter der Haustür, die grundsätzlich offenstand, wenn der General im Haus war, kam man in eine Art Windfang, in der er auch die Garderobe untergebracht hatte.
      Das Haus bestand aus zwei sehr großen Räumen, einer im Erdgeschoß, einer im Dachgeschoß. Unten waren zwei kleine Gelasse abgetrennt, eine Küche, ein Bad. Erdgeschoß und Dachgeschoß waren mit einer Wendeltreppe aus edlem Holz verbunden.
      »Hallo!« rief ich.
      Keine Antwort. Ich stand im Windfang, ich wollte nicht so einfach hineinstolpern. Ich dachte an den kleinen Freiplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses, machte kehrt und ging vorn um das Haus herum. Die zwei großen Türfenster des Wohnraums standen offen, davor auf dem Freiplatz stand der schöne Holztisch, darauf eine Flasche Rotwein mit einem Glas.
      »Wo sind Sie?«
      Keine Antwort. Ich ging zur vordersten Fenstertür und sah als erstes seine Beine. Er trug dunkelblaue Trainingshosen und weiße Laufschuhe an den nackten Füßen.
      »Ist Ihnen schlecht?« fragte ich unnatürlich laut und machte zögernd einen nächsten Schritt in die Tür.
      Er lag neben dem großen Eßtisch auf dem Rücken, und seine Augen waren weit offen und tot. Seine Beine wiesen in Richtung auf die Fenstertüren. Seine Brust war ein großes, blutiges Feld; das leichte T-Shirt mußte vorher dunkelgrün gewesen sein. Unter seinem Rücken hervor war eine große Menge Blut auf
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