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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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feststellen; Chiwa, im Rücken liegend, war längst den Blicken entschwunden. Und der Kischlak, den Nasreddin meinte vom Tor aus gesehen zu haben, lag nun weit links vom Weg, von diesem nicht berührt.
     Gesenkten Kopfes trotteten sie dahin, Nasreddin weitgehend unentschlossen, aber sich doch gewiß, daß irgendwann, bald, etwas geschehen müsse. Ihm schien, als sei sein Blick vor Hunger, Durst und Erschöpfung bereits mit einem Schleier verhangen. Und noch immer wies die Straße, gesäumt vom Mais, in die Unendlichkeit.
     Plötzlich klang von hinten ein Brummen auf, das, den Eindruck hatte Nasreddin, bevor er sich umzuwenden imstande war, sehr schnell näher kam.
    Er hatte dann auch kaum mehr Zeit, das Tier in den Graben zu drängen und sich selber dorthin in Sicherheit zu bringen, als das Ungetüm heranbrauste.
     Nasreddin duckte sich hinter den Grauen. Er konnte nicht verhindern, daß Angst ihn förmlich schüttelte. Der Esel blieb, und das überraschte Nasreddin, völlig gleichmütig.
     Ein solches Haus auf Rädern kam herangebraust, hinter sich eine aufwallende Staubwolke.
     Wäre der Esel nicht so ausstrahlend ruhig geblieben, Nasreddin hätte sich mit aller Macht rückwärts in das Maisfeld geschlagen und wäre gelaufen… So aber schämte er sich in einem Augenblick klaren Denkens vor dem Tier, krampfte die Hände in dessen Fell und harrte zähneklappernd aus.
     So ließ er das, was da auf sie zukam, stoisch über sich hereinbrechen, wunderte sich dann aber doch, daß es so schnell ging, er dabei nicht den kleinsten Schaden erlitt und nicht die geringste Rolle spielte, weil dieses Ding keinerlei Notiz von ihm nahm.
     Das Haus rollte vorbei, und zwischen diesem Vorbeifahren und der Staubwolke konnte Nasreddin hinter den Fenstern lachende Gesichter sehen. Und zwei Menschen, die ihn und das Tier im Graben entdeckt hatten, winkten freundlich.
     Nasreddin hustete, schüttelte den Kopf vor grenzenloser Verwunderung und schickte sich gerade an, den Esel aus dem Graben zu lotsen, als er wieder einen mächtigen Satz über den Streifen zwischen Straße und Feld machte, dort etliche der mannshohen Pflanzen dabei niederriß.
    Aus dem Staub vor ihnen, also dorther, wo das Haus hin entschwunden war, rollte plötzlich eine merkwürdige – ja – Hütte heran, rollte deutlich auf ebenfalls wulstigen Rädern, besaß Fenster, die das Sonnenlicht reflektierten, und hinter diesen saßen abermals drei Menschen, drei oder vier.
     Langsam legte sich der Staub, und langsam kam Nasreddin wieder zu klarerem Denken.
     Der nach wie vor gleichmütige Esel rupfte Gras, vergriff sich am Mais, und es war, als vertieften das Mahlen der Zähne und das Abbißgeräusch Nasreddins eigenen Hunger ins unermeßliche.
     Noch immer ein wenig wie in Trance, strich er die Körner von einer Maisdolde, rieb in den Händen die Spelzen ab und warf sich die linsenförmigen Früchte in den Mund. Es schmeckte milchmehligsüß, und er hatte das Gefühl, daß ihm, äße er mehr davon, zum Sterben übel werden würde.
     Dann hatte Nasreddin seinen Schreck überwunden. Er überlegte: So wie diese fahrenden Häuser könnten auf dem Weg natürlich auch die Soldaten des Beis einherkommen, mich festnehmen, erneut ins Verlies werfen, das Ganze noch einmal…
    Aber je intensiver er so dachte, um so weniger wahrscheinlich schien es ihm. Irgend etwas Unfaßliches war geschehen, das stand fest – mit dem Bei in Chiwa und vielleicht sogar mit dem großen Timur selbst. Schließlich passierte das alles in seinem Reich, und das hatte er weiß Gott mit grausamer Strenge in der Hand. Das wichtigste aber: Über alldem, was da unbegreiflich eingetreten sein mußte, waren Nasreddin und Nilufar – vergessen. Andere Ereignisse, größere sicher, verlangten offenbar die volle Aufmerksamkeit des Herrschers. Vielleicht sind fremde, mächtige Völker ins Reich gedrungen, haben es ganz und gar erobert? Das aber mußte sehr schnell gegangen sein. Einen halben Mond nur war ich im Kerker…
     Nasreddin zog den Esel, der sich nur schwer vom Grünfutter trennen ließ, auf den Weg, kratzte sich unter dem Fez am Kopf, schnallte den Gürtel enger und – schwang sich schließlich auf das Tier. »Der Dampf meines Hungers macht mich leicht, und du hast dich gestärkt. Also nützt es uns beiden, wenn ich auf dir sitze. Du hast es nicht so schwer, ich brauche nicht zu laufen, und du vertust deine Kräfte nicht umsonst.«
     Kaum daß er saß, dem Tier die Fersen in den Leib gedrückt
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