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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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hatte sich vieles verändert, auch er selbst war auf einmal ein anderer.
     »Nein!« Er sprach langsam. »Mein Ich ist hier drin«, und er tippte sich an den Kopf. »Aber der Bart ist dichter und schwärzer, das Gesicht dicker und runder, und niemals, Nasreddin, hattest du solche schönen Zähne! Ach, Teufelszeug!« Und er hieb mit der flachen Hand gegen das Fenster, daß es dröhnte und das Bild verzitterte. »Dieser Unboschi, der aufgeblasene Wachführer, wird mir in den Trank etwas gemixt haben, den er mir als Gruß des Beis so großherzig kredenzte. Und ich Esel habe ihn mit Genuß getrunken!« – Ach, warum, Nasreddin, solltest du nicht? Es war dein letzter Trank. Eben nicht! Er blickte noch einmal in das Fenster, strich sich über das Gesicht, fletschte die Zähne. Es war gut, daß ich getrunken habe. Er betrachtete sich nun wohlgefällig. Das hat er nun davon, dieser Unboschi, einen schönen Nasreddin hat er aus mir gemacht. Er hob die Arme an und wiegte sich auf Zehenspitzen vor dem Fenster.
    »Seht euch den an!«
    Erschrocken hielt Nasreddin ein, wandte sich der Stimme zu. Im Tor stand eine kleine Gruppe von Leuten. Ein Mann, der sich in der Kleidung deutlich von den anderen unterschied – er trug eine Pluderhose, darüber einen kurzen Chalat, der sich

über dem Bauch spannte, und auf dem Kopf eine Kappe mit einem lächerlichen Rand ringsum –, wies mit ausgestrecktem Arm herüber und lachte breit. Die anderen, unter denen sich abermals Frauen befanden, lächelten freundlich.
     Nasreddin streckte, einer plötzlichen Eingebung folgend, die Zunge heraus, drehte sich um, reckte dem Mann sein Hinterteil zu, ergriff den Esel und machte sich davon, der Sonne abgewandt, nach Norden, den Weg, den er vor einigen Wochen in Fesseln gekommen war.
    Zunächst trottete er im Schatten des Walls schnell und ohne sich umzublicken. Er hatte auf einmal Bedenken, ob sein ungehöriges Verhalten nicht vielleicht Folgen haben könnte. Dann, als die Mauer winklig nach Süden abwich, er in die blendende Helle trat, verhielt er doch den Schritt. Das ist nicht der Weg, dachte er, den du gekommen bist. Nur zu gut erinnerte er sich des spannentiefen Lehmstaubs, in den seine wunden Füße eintauchten wie in heißes Wasser. Ihm war, als spürte er zwischen den Zähnen das Knirschen des Sandes, den die Hufe der Esel, an deren einen er gebunden war, aufwirbelten, oder das Brennen in den Augen von Hitze, Schmutz und Helle. Statt dessen schritt er auf einer schwärzlichen, reinlichen, harten, aber nicht zu harten breiten und ebenen Fläche, die dem Hof des Sultanspalastes alle Ehre gemacht hätte, einer Fläche, die sich im flachen Land bis zum Horizont erstreckte, dort flimmernd in den Konturen von Büschen und einem fernen Kischlak verschwand.
     Nasreddin blickte sich um. Vor ihm lag Chiwa, wie er es kannte. Ein Lehmwall aus der flachen Ebene heraus. Chiwa, das Kleinod der Oase Choresm, der sagenhaften. Erst wenn du das Tor durchschreitest, umfangen sie dich, Wanderer, die himmelblauen Kuppeln, die hohen Bögen der Gewölbe, machen dich die Minarette schwindlig.
     Ganz anders hast du es gesehen, dieses Chiwa, Nasreddin Chodscha. Als sie dich durchs Tor schleiften, der du lechztest nach einem Schluck Wasser, versuchtest, einen letzten Blick der Geliebten zu erhaschen, die im schwankenden Korb des Kamels nicht weniger litt als du, Nilufar, die dir im Mondlicht die Schönheit dieser Stadt gepriesen hatte…
    Nasreddin straffte sich! Ha, dachte er. »Ha!« rief er. »Noch lebt er, der Chodscha. Und ich werde im Anblick deiner Schönheit, Chiwa, der Geliebten gedenken, und dir sage ich, Bei, der du sie köpfen ließest, ich werde, wenn Allah mir die Kraft gibt, dein Scheitan sein, so wahr ich Chodscha Nasred din bin und lebe!« Dann drehte er sich brüsk um, riß den Esel vorwärts, und kräftig schritten sie aus gegen Norden.
     Es war noch keine Stunde vergangen, als Nasreddins Schritte kürzer, sein Elan kleiner geworden waren, das um so mehr, als der Mann immer stärkeren, schon quälenden Hunger und noch mehr Durst verspürte. Dem Esel schien es nicht anders zu ergehen, denn immer fester spannte sich der Strick zwischen den beiden, und oft wandte das Tier den langen Kopf nach rechts, wo auf unüberschaubaren Feldern der Mais in der Frucht stand.
     Die Straße, auf der sie zogen, rollte unter den Füßen hinweg, als sei sie ein zu einem Reif gebogener endloser Streifen. Das Vorankommen ließ sich eigentlich nicht mehr recht
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