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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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den die Kästen um ihn und den Esel beschrieben, wenn sie auswichen. Man konnte sich da schon verloren und nichtig vorkommen…
     Dann war da der Kischlak! Nasreddin atmete auf, glitt vom Esel, führte ihn hinunter von der Straße, auf einen lehmstaubigen Weg, mitten hinein zwischen die Häuser. Er atmete deshalb befreit auf, weil er endlich wieder auf Bekanntes traf, hier fühlte er sich wohler als zwischen diesen metallenen Kästen da draußen, hier standen die Häuser ohne Räder festverwurzelt mit dem Boden, hatten die vertraute gelbliche Farbe des Lehms, in dem das eingebackene Stroh dort, wo die Sonne es traf, ein freundliches Glitzern wie einen schmückenden Schleier hervorzauberte.
     Nasreddin wanderte langsam, sah nach links und rechts. Ja, da war Leben. Hunde strichen über die Wege, er hörte Kindergeschrei hinter den Mauern, sah die Kleinen tollen. Zwei Männer, in ein angeregtes Gespräch vertieft, begegneten ihm, im Chalat und mit der Tjubeteika, dem Käppchen, das man in Choresm trug. Und als Nasreddin grüßte, antworteten sie »Salam!«.
     Die Granatapfelbäume in den Vorgärten trugen rote, reifende Früchte. Manchmal stand eine Tür offen, und man konnte die prächtigen Weintrauben von den Gerüsten, die den Hof überspannten, herunterhängen sehen.
    Niemand nahm von Nasreddin weiter Notiz, außer daß man ihn grüßte oder auf seinen Gruß antwortete. Also bin ich doch einer von ihnen, dachte er, also ist mit mir zumindest nichts Außergewöhnliches geschehen. Kaum hatte er diesen Gedanken gefaßt, begann er, seine Umgebung kritischer zu betrachten. Und dann fiel ihm auf, daß es doch etwas Neues war, wenn Türen zu Höfen offenstanden und man sehen konnte, was sonst ängstlich den Blicken Neugieriger verschlossen blieb. Und gleichzeitig fiel Nasreddin auf, daß die meisten der Häuser Fenster hatten, die zur Straße zeigten und in die er hätte bequem hineinschauen können. Auf den Dächern türmten sich die Heu- und die Strohschober wie ehedem. Sie waren Vorrat und Schutz vor den eiskalten Winterstürmen zugleich. Das also war es nicht, was an diesen Dächern auffiel. Merkwürdig empfand er die schlanken Stangen, die drei, vier Mannslängen hochragten und an ihrem oberen Ende sehr verunglückte und sicherlich nur umständlich zu gebrauchende Heurechen trugen.
     Nasreddin wiegte den Kopf. So gut kennst du dich in Choresm nicht aus, Freund, bist zu Besuch hier, auf Einladung Timurs, des Herrschers persönlich. Und Nasreddin hätte tatsächlich nicht zu sagen vermocht, ob diese Stangengeflechte schon die Dächer zierten, als er nach Chiwa geschleppt wurde, und ob ihm dieses lediglich nicht aufgefallen war. Ein Wunder wäre es nicht, habe, weiß Allah, an andere Dinge gedacht… Sicher ein Brauch zur Abschreckung böser Geister oder ein Lagerplatz für die guten, wer weiß…
    Es war dies ein großer Kischlak. Mehr zum Zentrum hin nahm der Strom der Leute zu, und nicht jeder von denen, die ihm begegneten, blickte so, daß er gegrüßt werden wollte, und nur noch wenige grüßten ihn. Daß unter den Passanten sich gleich viele Frauen wie Männer bewegten, verwunderte Nasreddin nicht mehr. Allerdings fehlten hier diese hellhäutigen in ihrem scharenweisen Auftreten. Ab und an einer – aber mit dem gleichen Blick und der gleichen Geschäftigkeit wie diese Usbeken. Manchmal traf Nasreddin einen Mann mit einem Esel, und in nichts unterschieden sie sich von ihm und seinem grauen Freund.
     Daß das Chanat Chiwa so reich war, hätte Nasreddin nicht angenommen. Der Kischlak jedenfalls deutete auf Wohlhabenheit der Leute hin. Es gab sogar Häuser übereinander und mit festem Dach. Auf einmal stand Nasreddin vor einem – Basarhaus mit jenen blanken Flächen aus durchsichtigen Majolikascheiben in den Fenstern, einem Haus, dessen Decke nicht aus Kuppeln gebildet wurde wie die Verkaufshallen in Chiwa, sondern wo sich die Decken von Pfeiler zu Pfeiler hinzogen wie ein zweiter, meisterlich gestampfter Boden.
     Ein wenig umständlich band Nasreddin seinen Esel fest, sich scheu umblickend. Er war mißtrauisch und neugierig, hätte sich zu gern die Waren angesehen, war sich aber keineswegs sicher, ob er nicht in neue, für ihn nicht beherrschbare Situationen geraten würde. Ein wenig Vorsicht schien ihm in dieser verrückten Welt doch angebracht zu sein.
     Aber die Menschen, Männer, Frauen, Kinder, gingen durch die um sich schlagenden Türen. Und niemand kümmerte sich um den anderen.
     Zurückhaltend
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