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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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schreckte zusammen. Unmittelbar vor ihm stand schief das schmale Gesichtchen, und die Augen blickten erwartungsvoll. »Ein, ein – auch ein Messerchen, Sonnenblume!«
     Das Mädchen runzelte die Stirn, lächelte dann und holte unter dem Tisch einen Gürtel hervor, in dem an die zehn Messer steckten, eins blitzender und messriger als das andere.
     Nasreddin zog laut die Luft durch die Nase ein, nahm dann eins dieser Schneidwerkzeuge nach dem anderen, prüfte, fuchtelte sogar vor den Augen der Verkäuferin in einem Scheinkampf herum, bis er hinter sich hörte: »Ich hab ja gleich gesagt, der hat’s mit dem Kopf…«
    »Na, darf es eins sein?« fragte das Mädchen. Aber es klang wie: Hast du dein Spielchen gehabt, Narr?
     Plötzlich fühlte sich Nasreddin unbehaglich. »Das«, sagte er und drückte den Finger auf eine Klinge, daß der weiß wurde. »Gut«, sie war wieder ganz freundlich, »ein schönes Messer, Onkelchen. Soll ich es einpacken? Drei Rubel und fünfzehn Kopeken.«
     Nasreddin runzelte die Stirn. Aber pfiffig hob er dann achtunggebietend den Zeigefinger und schüttete, indem er sich über den Tisch beugte, den gesamten Inhalt des Tuches vom Basar in Chiwa vor dem Mädchen aus, so daß dieses zu tun hatte, die rollenden Münzen vor dem Herabspringen zu bewahren. Dabei schüttelte sie unwillig den Kopf. »Drei Rubel fünfzehn«, wiederholte sie.
    Da sah er sie an, hob langsam die Schultern.
     Sie verzog den Mund und schob mit langem Zeigefinger schicksalsergeben Scheine und Münzen aus dem wirren Häufchen und sagte, als sie offenbar hatte, was sie brauchte: »Drei Rubel fünfzehn.«
     Zwei Buben lümmelten schon eine geraume Zeit am Ende des Verkaufstisches. »Der kennt das Geld nicht. Hättest in der Schule aufpassen müssen, Onkelchen«, rief der eine.
    Nasreddin blickte hilflos.
     »Paß auf!« Der andere Junge tat sich hervor. »Das sind zehn Rubel, das drei, und das ist immer einer…« Und er sortierte aus dem Häufchen die Scheine aus, glättete sie ein wenig und legte sie als Bündel.
    Umstehende wurden aufmerksam. »Der Naseweis. Aber recht hat er. So dumm sieht der Mensch nicht aus, daß er das nicht hätte lernen können. Zu alt ist er auch nicht.«

     »Dafür frech!« Es war dies wieder die mittlerweile Nasreddin wohlbekannte Frauenstimme von vorhin. Ihm wurde heiß und unbehaglich. Scham und Zorn stritten in ihm. Doch er sagte sich, sei klug, Chodscha! Schöner Chodscha, der sich von einem Rotzjungen belehren lassen muß… Aber noch durchschaust du in diesem verhexten Choresm nicht alles. Und er begann hastig, Scheine und Münzen zusammenzuraffen.
     »Hier, vergiß dein Messer nicht, du Leuchte aller Leuchten.« Und das Mädchen hielt ihm die Klinge hin. Spöttisches Funkeln lag in ihren Augen.
    Eine Sonnenblume mit Dornen, dachte Nasreddin. Und er trat rückwärts vom Tisch hinweg unter dem Gelächter der Umstehenden, drängte sich rückwärts durch einen kleinen Pulk von Leuten, machte eine jähe Wende, und da polterte es seitwärts von ihm. Metallene kleine Walzen stürzten, rollten nach allen Seiten. Als eine vor seinen Füßen zur Ruhe kam, sah er, daß sie das Bild zweier rotbäckiger Äpfel trug. Und er ahnte mehr, als daß er es wußte, daß er wohl einen ganzen Turm dieser Walzen, der da kunstvoll aufgebaut war, umgerissen hatte.
    Die Umstehenden lachten, andere kamen hinzu.
     »Töchterchen, ich bau es wieder, dein Türmchen, glaub es mir, ich bau es wieder«, stammelte Nasreddin, und er schickte sich an, den Walzen, von denen noch immer einige rollten, hinterherzusetzen, in der einen Hand das zusammengeraffte Tuch, in der anderen das Messer.
     »Schon gut, schon gut – paß lieber auf, daß du nicht noch mehr umreißt!« Und sie kniete sich hin und begann die Behälter erneut zu stapeln. Die Umstehenden lasen die verstreut liegenden Walzen zusammen, die beiden Jungs halfen beim Aufbauen, die Leute liefen auseinander. Nasreddin hatte das Messer in den Gürtel gesteckt, das Bündel abgelegt und half, so gut er konnte, darauf bedacht, kein weiteres Unheil heraufzubeschwören.
     »Geh nur, geh, Onkelchen«, forderte das Mädchen ihn ab und an auf. Entfernt hörte er wieder die Frau. »So dußlig sieht er gar nicht aus.«
    Als Nasreddin gewahrte, daß er nicht mehr helfen konnte, stahl er sich davon. An der Tür erwischte er den Flügel, der verriegelt war, drückte und zog daran herum, bis von der anderen Seite jemand eintrat.
     Draußen nestelte er hastig, zu hastig,
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