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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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und noch dazu ein so wundersam wiedergewonnenes – für sich allein leben. Kein Mensch kann nur für sich existieren, ich schon gar nicht…
    Nasreddin aß einen Apfel, reichte dem Esel den Griebs hinab. Er ließ das Tier weitertrotten; noch immer schien es ihm das erstrebenswerteste, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und dem Chan von Chiwa zu bringen. Das auch gab den Ausschlag, daß er sich entschloß, nicht umzukehren.
     Längst interessierten den Mann die rollenden Häuser und Hütten, Fässer und Karren nicht mehr. Er blickte höchstens einmal auf, wenn ein Gefährt vorüberschoß, das sich in der Form oder Farbe von den anderen abhob. Wer mich nicht ästimiert, den achte ich auch nicht. »Na, na!« sagte er zu sich selbst. »Beim Chan oder gar dem Gebieter bist du schon bereit, eine Ausnahme zuzulassen. Für diese bist du, Nasreddin, ein Dreck.« Bei dem Gedanken faßte er sich an den Hals. »Oder hat der große Timur, der dich, berühmter Chodscha, eingeladen hat, dich beschützt, als es dir ans Leder ging? Du hast ein Gesetz verletzt, weil du dich verliebtest. Was für ein Widersinn. Und das kostet den Kopf. Gut, wenn sie schon solche Gesetze haben, mögen sie nach ihnen leben, aber einen zu behandeln wie einen räudigen Hund, nachdem sie vorher dich ehrten? So eben, Nasreddin, ist diese Welt verlogen, und sie betrügt.«
     Der einsame Reiter seufzte, gab sich diesem oder jenem unnützen Gedanken hin. Unter noch warmer usbekischer Sonne bummelten sie dahin, in einem Staubschleier… Schließlich begann Nasreddin zu dösen, zeitweise einzunicken. Ab und zu ruckte er hoch, wenn einer der Karren besonders nahe oder laut an ihm vorbeieilte oder gar, um ihn zu erschrecken, hupte.
     Dann hörte Nasreddin mehr im Unterbewußtsein vor sich ein lautes Quietschen, munter aber wurde er erst, als der Esel stehenblieb.
    Vor den beiden hielt ein großer Karren, beladen mit Sand. Aus dem Fenster des kleinen Häuschens vorn lehnte sich ein Mann, bekleidet mit einem lächerlich wirkenden Trägerhemdchen, braungebrannt und unrasiert, mit einer Tjubeteika auf dem Kopf. Er blickte Nasreddin entgegen, ja, es schien fast so, als erwartete er ihn.
     Noch bevor Nasreddin an dem Kasten des Karrens vorbei war, verschwand der Mann vom Fenster. Gleich darauf erstarb das nervende Getucker des Gefährts, und der Mann sprang von dem Häuschen herab, noch im Sprung der Tür einen Stoß versetzend, daß sie mit einem lauten Knall zuschlug, und kam auf Nasreddin zu. Eine Hand hielt er hinter seinem Rücken verborgen.
     Zunächst hatte Nasreddin das Gefühl, es jenem anderen, der offenbar abgestiegen war, weil er mit ihm zu sprechen wünschte, gleichtun zu müssen. Er hopste also von seinem Esel. Gleichzeitig aber regte sich in ihm Mißtrauen, das alsbald jedes andere Gefühl überwog. Warum wohl hat jener seine Fahrt unterbrochen, hat angehalten, nachdem Hunderte, ohne von ihm Notiz zu nehmen, vorübergerollt sind? Mit dem Chan von Chiwa wird er wohl nichts zu schaffen haben, so laufen dessen Leute nicht herum, dachte Nasreddin. Aber ob dieser lächelnde und durchaus freundlich tuende Mensch lautere Absichten hegte, blieb stark zu bezweifeln. Nasreddin fühlte unter dem Chalat nach dem Griff des Messers.
     »Ty etot tschelowek…«, begann der andere in jener fremden Sprache.
    Nasreddin schüttelte sogleich heftig den Kopf, sein Mißtrauen stieg, und er rief: »Ich verstehe dich nicht, Brüderchen, mit mir mußt du in der Sprache reden, die Allah seinen Gläubigen gegeben hat!« Er wurde laut, verdeckte damit seine steigende Furcht.
     »Gut, gut, Onkelchen.« Der andere lachte nun breiter. »Also bist du nun jener Mensch, der im Magazin von Foril ein Messer gekauft hat?«
     »Foril?« fragte Nasreddin zögernd zurück, um Zeit zu gewinnen. Worauf wollte dieser Mensch, der jetzt so nahe stand, daß man leichten Schweißgeruch wahrnahm, hinaus?
     »Nun, der Kischlak dahinten.« Er wies mit der freien Hand unbestimmt die Straße zurück.
     »Bin ich«, bekannte Nasreddin, faßte dabei jedoch den Griff des Messers fester. »Ich habe dafür – Scheine gegeben.«
     »Hast du, hast du!« bestätigte der Fremde. Es klang, als wollte er sagen: Sieh an, was für ein tüchtiger Kerl du bist. »Und, hast du noch welche?«
     Aha, dachte Nasreddin, aha! Ein gewöhnlicher Straßenräuber. Gleich wird er die Hand vorziehen mit einem ordentlichen Dolch darin, wird mir die Klinge an die Kehle legen und schreien: Her damit, Hundesohn!
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