Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
einstigen Gräberfeld eine Wohnstätte bezogen hätte, hat den Tod meiner Mutter nicht verwinden können.«
    Er machte eine lange Pause, bevor er schließlich weiterfuhr: »Irgendwie hat er diesen schweren Schicksalsschlag als eine Art von... na ja, Gotteszeichen gedeutet, dass er Buße tun und sein Leben radikal ändern solle.«
    Jona runzelte die Stirn. »Buße tun? Wofür denn? Warum meinte er denn, sein Leben radikal ändern zu müssen? Und in welcher Hinsicht?«
    Timon gab einen schweren Stoßseufzer von sich und zuckte die Achseln. »Die Antworten auf deine ersten drei Fragen kenne ich leider auch nicht, die hat er mit ins Grab genommen. Jedenfalls beschloss er, sich ganz Gott zu widmen und sich den Essenern von Qumran anzuschließen.«
    »Qumran?« Jona furchte die Stirn. Von diesem Ort und auch von den Essenern hatte er schon mal gehört, aber Genaueres wusste er nicht. Nur dass es sich bei ihnen um ganz besonders fromme Juden handelte, die sich am Rand der judäischen Wüste vom Rest der Welt zurückgezogen hatten. »Liegt diese Siedlung nicht irgendwo am Toten Meer?«
    »Ja, hoch oben auf den Kalksteinfelsen, die am Nordende des Toten Meers zum Westufer hin abfallen«, erklärte Timon. »Es gibt übrigens auch Essener, die in kleinen Gruppen in Jerusalem und anderswo leben. Aber mein Vater wollte unbedingt nach Qumran, weil dort der ›Lehrer der Gerechtigkeit‹ lebt und lehrt.«
    Jona zog die Augenbrauen hoch. »Ein Prophet?«
    »Und ob der Anführer der Essener sich für einen Propheten hält!« Timon verzog spöttisch das Gesicht. »Er behauptet jedenfalls, der einzig heilige Priester im Land zu sein. Er allein kenne die Wahrheit. Angeblich legt Gott alle Weisheit in sein Herz und offenbart ihm seinen heiligen Willen. Nur wer ihm blinden Gehorsam leistet, kann gerettet werden und Gnade vor Gott finden. Tja, und zu diesem Ort hat es meinen Vater hingezogen - und mich hat er dorthin mitgenommen. Auch ich sollte ein Essener und damit gerettet werden.«
    »Und was sind das für Leute, diese Essener von Qumran?«, wollte Jona wissen. »Ich meine, wie leben sie?«
    Timon gab ein kurzes, freudloses Lachen von sich. »Sie sind die größten Römerhasser, die mir je begegnet sind...«
    »Wer hasst sie denn nicht dafür, dass sie auch uns unter das Joch ihres gewaltigen Imperiums gezwungen haben und wir uns nun der Knute ihres Statthalters Pontius Pilatus beugen müssen?« Auch Jona war voller Verachtung für die römische Besatzungsmacht. 14 »Ich jedenfalls kenne keinen.«
    »Ich auch nicht«, pflichtete Timon ihm bei. »Aber einen brennenden Hass auf die Römer zu haben reicht längst nicht, um bei den Essenern von Qumran Aufnahme zu finden. Sie sind nämlich noch schlimmere Eiferer als die gesetzestreuesten Pharisäer und die auserwählte Priesterschaft, die in Jerusalem den heiligen Tempeldienst verrichtet, und dabei halten die sich doch schon für die einzig wahren frommen Juden! Für die Qumraner sind diese Priester jedoch wahre Ausgeburten des Teufels, insbesondere die Sadduzäer 15 unter ihnen. Weil diese Priester doch mit dem römischen Statthalter gemeinsame Sache machen, damit ihre eigene Machtstellung nicht in Gefahr gerät!«
    »Unsere höchsten Priester Ausgeburten des Teufels?«, stieß Jona fassungslos hervor. »Das gibt es doch gar nicht!«
    »Und ob es das gibt! Die Essener glauben jedenfalls tatsächlich daran«, sagte Timon. »Diese jachad , diese Gemeinschaft von Qumran, die damals gut hundertfünfzig Mitglieder gezählt hat, ist ein regelrechter verschworener... nun ja, Geheimbund, könnte man fast sagen. Und die nehmen nicht jeden in ihrer Wüstensiedlung auf. Wer bei ihnen eintreten und Prüfling werden will, muss makellos sein.«
    »In seinem Glauben und der strikten Befolgung der Tora?«
    »Das sowieso!… Nein, auch äußerlich makellos!«
    »Wie bitte?«
    »Ja, du hörst richtig. Nur wer gut gebaut und an Leib und Gliedern ohne jeden Fehl und Tadel ist, hat Chancen, überhaupt erst einmal als Prüfling angenommen zu werden. Für eine Ablehnung reicht es schon, dass man zu dicke Waden, eine behaarte Brust oder eine nicht ganz perfekte Nase hat«, berichtete Timon sarkastisch.
    »Was hat das denn mit der Tora und Gottesglauben zu tun?«, fragte Jona.
    »Für die Essener eine ganze Menge. Aber mit dieser strengen Prüfung des Äußeren fängt es erst an. Und damit meine ich nicht, dass bei ihnen zehnmal am Tag Gebetszeiten eingehalten werden müssen. Diese Vorschriften gehören zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher