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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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leichten Teil der Probezeit und des gemeinschaftlichen Lebens. In ihren Reihen herrscht strenge Hierarchie, fast wie beim Militär. Und nach der eigenen Stellung in ihren Reihen bemisst sich auch der Respekt und die Zuneigung, die einem gewährt wird, und wo man sitzen oder wann man das Wort ergreifen darf. Natürlich muss man ihnen seinen gesamten Besitz aushändigen, wenn man zu ihnen gehören will. Und was ihre Regeln angeht, so sind diese unglaublich streng. So sind zum Beispiel gegenseitige Berührungen verboten. Und am heiligen Sabbat darf man nicht einmal seinen Darm entleeren, um nur zwei ihrer verrückten Vorschriften zu nennen. Doch ich will dich nicht mit den zahllosen Einzelheiten langweilen, sondern es kurz machen.«
    »Du langweilst mich ganz und gar nicht!«, beteuerte Jona, der darauf brannte, mehr über das Leben dieser geheimnisvollen Eiferer zu erfahren. »Erzähl nur weiter!«
    »Die Leute von Qumran bezeichnen sich selbst als die ›Söhne des Lichts‹ und verurteilen alle anderen, die nicht so leben wie sie, als die ›Söhne der Finsternis‹, die es zu meiden und zu hassen gilt. Wohlgemerkt nicht nur die Römer und andere Heiden, sondern auch alle anderen Juden, die sich redlich um ein frommes, rechtgläubiges Leben mühen, soweit ihnen das die schweren Lebensumstände möglich machen! Die Qumraner kennen jedoch keine Nachsicht. Sie sind nämlich überzeugt, das wahre Gottesvolk der Endzeit zu sein. Sie glauben, dass nur sie als die einzig Erwählten Gnade vor Gott und Erlösung finden werden, wenn eines Tages der Messias und mit ihm das Gottesgericht und das Ende der sündigen Welt kommt. Und der soll ihrer Lehre nach schon bald kommen. Die Menschen außerhalb ihrer Gemeinschaft sind ihrer Überzeugung nach schon jetzt ausnahmslos verdammt und für ewig vom Heil ausgeschlossen.«
    Jona schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist doch verrückt! Und bei diesen fanatischen Eiferern habt ihr gelebt... freiwillig ?«
    »Na, ich weiß nicht, ob man so was Leben nennen kann«, sagte Timon gallig. »Mein Vater hat sich den unzähligen Geboten und Verboten zunächst willfährig untergeordnet. Er hat alles getan, um die zwei Jahre der Probezeit zu bestehen - und ich mit ihm. Und die Qumraner machen bitteren Ernst nicht nur mit ihren eigenen Regeln, sondern auch mit den 365 Verboten und 248 Geboten der Tora, das kannst du mir glauben! Das sind, wie du weißt, allein schon insgesamt 613 Vorschriften, die man dort tagtäglich streng befolgen muss und die angeblich der Anzahl der Knochen im Körper eines Menschen entsprechen. Wenn ich heute daran denke, frage ich mich, wie wir es überhaupt so lange ausgehalten haben. Aber ich war ja noch ein Kind und wollte alles tun, was mein Vater von mir verlangte.«
    »Aber ihr seid nicht in Qumran geblieben«, folgerte Jona. »Denn sonst wärst du ja kaum in Berechjas Hände geraten. Also, wie seid ihr denn da herausgekommen?«
    Timon gab wieder dieses kurze, bittere Auflachen von sich. »Das war kein ganz so freiwilliger Entschluss. Man hat uns vielmehr aus Qumran wenige Wochen vor Ablauf der Probezeit verstoßen, weil wir in den Augen dieser ›Söhne des Lichts‹ ihrer nicht würdig waren, insbesondere mein Vater nicht.«
    »Hat er sich nicht an die vielen Verbote und Gebote halten können?«
    »Viel schlimmer noch, zumindest in ihren Augen! Mein Vater hat es nämlich gewagt, sich Gedanken über ihre irrwitzig strenge Lehre zu machen und ihnen kritische Fragen zu stellen, insbesondere über die Auslegung der Vorschriften, was man am Sabbat darf und was nicht, und er hat auch den unverzeihlichen Frevel begangen, nach dem Sinn der kupfernen Schatzrollen zu fragen.«
    »Was für Schatzrollen?«, fragte Jona gespannt.
    Timon winkte ab. »Ach, das erzähl ich dir ein andermal, denn das ist eine verrückte Geschichte für sich, und ich denke, wir haben im Augenblick viel Wichtigeres zu bereden«, sagte er und schloss seinen Bericht nun sehr schnell ab. »Sie haben uns jedenfalls aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen, womit wir in ihren Augen das ewige Heil verwirkt haben und jetzt auch zu den ›Söhnen der Finsternis‹ gehören, die zu meiden und zu hassen sind. Mein Vater hielt mit mir einige Wochen in der Wüste nahe bei Qumran aus. Es war eine Qual, die du dir kaum vorstellen kannst.«
    »Aber warum habt ihr euch das angetan? Warum seid ihr nicht fortgegangen?«, fragte Jona.
    Timon zuckte die Achseln. »Weil die Anführer in Qumran manchmal Mitglieder, die sie
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