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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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mich auch stets dazu an, regelmäßig die Schule in unserer Synagoge zu besuchen, damit ich nicht nur gut lesen, schreiben und rechnen lerne, sondern auch mit der Tora vertraut werde.«
    »Das hört sich an, als redest du von meinem Vater!«, bemerkte Timon trocken.
    »Tja, und als dann die Ruhr meiner Mutter und meinen beiden jüngeren Geschwistern den Tod brachte...« Jona stockte kurz und schluckte, um seiner inneren Bewegung Herr zu werden, fuhr dann aber hastig fort: »Das war das Ende. Mein Vater hat damals alle Hoffnung verloren, zu kämpfen aufgegeben und uns für die übliche Zeit als Schuldsklaven an Berechja verkauft. Ich glaube, irgendwie war er damals schon tot, zumindest im Innern. Endgültig starb er vor einem halben Jahr, und zwar an einer bösen Verletzung. Er ist beim Pflügen unglücklich gestürzt und hat sich dabei den Eisendorn vom Pflug tief in den Unterschenkel gebohrt. Wahrscheinlich hätte er heute noch leben können, wenn Eljakim sich nicht standhaft geweigert hätte, nach dem Arzt aus dem Ort zu schicken. Natürlich wollte er Berechja die Ausgabe ersparen. Und so ist mein Vater dann am Wundbrand gestorben. Tja, und jetzt bin ich auf dem Weg nach Tyrus!« Er machte eine verlegene Geste. »So, jetzt weißt du, wie mein Vater und ich unter Berechjas Joch gekommen sind. Nun bist du an der Reihe!«
    Timon holte tief Luft und kratzte sich am Kinn. »Mhm, lass mich mal überlegen, wo ich am besten anfange«, sagte er nachdenklich. »Am besten fange ich mit Tiberias an.«
    »Du meinst die Stadt in Galiläa, die Herodes Antipas am Westufer vom See Genezareth so vor elf, zwölf Jahren als seine neue Residenzstadt gegründet hat?«
    Timon nickte. »Ja, genau von dieser verfluchten Stadt rede ich. Früher hat Herodes Antipas ja in Sepphoris residiert. Aber dann bekam dieser Speichellecker des römischen Imperiums eines Tages den genialen Einfall, dort am See eine neue Stadt aus dem Boden zu stampfen und ihr zu Ehren von Kaiser Tiberius den Namen Tiberias zu geben. Man erzählt sich, er sei der kalten Winter im galiläischen Bergland überdrüssig gewesen und es habe ihn in das warme Klima dort am See gezogen, wo Palmen wachsen und man auch in den Wintermonaten keine Kälte zu fürchten braucht. Dass sich ganz in der Nähe der Neugründung heiße Heilquellen befinden, hat sicherlich den Ausschlag gegeben, warum er unbedingt dort und nirgendwo sonst sein Tiberias aufbauen wollte. Jedenfalls hat er sich um die heftigen Einwände seiner Berater und die Proteste seiner Untertanen einen Dreck geschert.«
    »Proteste wegen der Gräber, nicht wahr?«, warf Jona ein, der sich an das erinnerte, was ihm sein Vater vor vielen Jahren einmal über Tiberias erzählt hatte, als dort mit den Bauarbeiten begonnen worden war.
    »Ja, es hat dort einen alten jüdischen Friedhof gegeben«, bestätigte Timon. »Dabei hat Herodes, dieser Möchtegern-König der Juden, sehr wohl gewusst, dass bei Juden ein solcher Ort als unrein 13 gilt und man an derartigen Stätten niemals Wohnstätten errichten darf. Aber darüber hat er sich in seiner Arroganz und Allmacht einfach hinweggesetzt, die Gräber zerstören lassen und den Bau von Palästen und Wohnhäusern befohlen, so wie es sich für eine zukünftige Residenzstadt gehört. Als sich die Leute dann aber weigerten, nach Tiberias zu ziehen, hat er viel lichtscheues Gesindel und Heidenvolk angelockt und durch finanzielle Privilegien dazu gebracht, sich dort niederzulassen. Aber das reichte ihm noch längst nicht, konnte man mit diesem Pöbel in einer Residenzstadt doch keinen Staat machen. Und so hat er seine Soldaten ausgeschickt und Teile der Bevölkerung von umliegenden Dörfern zur Umsiedlung gezwungen. Das hat nicht nur zu bösem Blut geführt, sondern hier und dort auch zu erbittertem Widerstand, den Herodes jedoch mit brutaler Gewalt niederzwingen ließ. In einem dieser Dörfer habe ich mit meinen Eltern gelebt.«
    »Dann kommst du ja aus Galiläa und bist gar kein Judäer!«, stellte Jona überrascht fest.
    Timon nickte gleichmütig. »Bei einer dieser blutigen Auseinandersetzungen geriet meine Mutter unter die Knüppel von Herodes’ Söldnern. Dabei wurde sie von mehreren Schlägen schwer am Kopf verletzt. Sie kam gar nicht mehr zu Bewusstsein. Und zwei Tage später starb sie an ihren Verletzungen. Ich war noch keine zehn Jahre alt, als das passierte. Mein Vater, der wie dein Vater schon immer ein sehr frommer Mann gewesen war und deshalb nie und nimmer auf einem
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