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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Diener, die erst zwei schwere Balken aus den Vertiefungen rechts und links im Mauerwerk wuchten mussten, bevor sie das Tor aufziehen konnten.
    »Aber dafür sparen wir uns die lange Reise nach Tyrus, Herr!«, sagte der Aufseher in diesen kurzen Augenblick der Stille hinein, um dann mit gesenkter Stimme fortzufahren: »Zudem fällt dann auch noch der Anteil weg, den du dem Karawanenführer zahlen musst, dessen Handelskarawane wir uns morgen anschließen wollen. Da gilt es, sich das Angebot des Händlers aus Gaza noch einmal gut zu überlegen, Herr. Bestimmt lässt er noch mit sich handeln.«
    »Ach was! Das Karawanengeld zahle ich dem alten Halsabschneider gerne - bei dem üppigen Profit, der mir in Tyrus sicher ist!«, erwiderte Berechja unwirsch. »Und dabei bleibt es, Eljakim! Sag diesem Händler aus Gaza, er soll sich gefälligst einen anderen Dummen suchen, den er übers Ohr hauen kann. Kümmere dich jetzt besser darum, dass die Wachen heute Nacht...«
    Das allgemeine Stimmengewirr setzte wieder ein und ließ die Stimme des Gutsbesitzers darin untergehen, als sich in der Westmauer das eisenbeschlagene Tor aus fast mannsdicken Akazienbohlen schwerfällig öffnete und eine Kamelkarawane aus dem Land der Nabutäer in den weitläufigen Innenhof von Akiba ben Nahums Karawanserei einzog.
    Die Abendsonne verglühte im Westen über den steinigen, kargen Hügeln von Judäa und schickte mit der einziehenden Karawane eine letzte Flut rotgoldenen Lichts durch das Tor und in die festungsartige Herberge, die eine halbe Tagesreise vor den Mauern von Hebron an einer wichtigen Handelsstraße lag und sich auf einer Hügelkuppe neben einem Wadi 4 erhob. Staubfahnen stiegen unter den Hufen der Kamele auf und flirrten durch das Sonnenlicht.
    Die heilige Stadt Hebron war der natürliche Mittelpunkt des südlichen Hügellandes von Judäa. Hoch in den Bergen gelegen und von allen Seiten durch die trügerischen Irrgärten der Wadi-Systeme geschützt, verteidigte es Judäa nach Süden. Von hier aus hielten die Großkaufleute Kontakt mit den Händlern und Beduinen aus der Wüste Negev, aus Arabien und Ägypten. In Hebron, das der legendäre König David 5 zu seiner ersten Hauptstadt erkoren hatte, tauschte man die Produkte des Berglandes wie Weizen, Gerste, Oliven, Weintrauben, Granatäpfel und andere Früchte gegen Schafe, Esel, Kamele, Lederwaren, Weihrauch und andere Güter, die von den Karawanen aus den Wüstengebieten im Süden heraufgebracht wurden. Eine dieser Karawanen traf nun in der Herberge des Akiba ben Nahum ein.
    Hatte in der Karawanserei auch vorher schon ein lebhafter Betrieb geherrscht, wurde es nun noch lauter und hektischer. Denn dem Leitkamel, das mit hochmütig gerecktem Kopf und majestätisch wiegendem Gang vorwegschritt, folgten gut und gern drei Dutzend schwer beladene Lasttiere, begleitet von fast ebenso vielen Nabatäern. Es waren verwegen aussehende, dunkelhäutige Gestalten in weiten, staubbedeckten Gewändern, in deren Gürteln Krummsäbel und Dolche in reich verzierten Scheiden steckten. Unter den bis auf die Schultern herabhängenden Kopftüchern zeigten sich von Wind und Wetter gegerbte, teilweise ausgemergelte Gesichter, deren Haut viel Ähnlichkeit mit altem, rissigem Leder hatte und die von kantig geschnittenen rabenschwarzen Bärten eingefasst wurden, wie sie für die Männer aus dem südlichen Wüstenland der Nabatäer so typisch waren.
    Knarrend schloss sich das Tor hinter dem letzten Kamel und seinem Treiber und die Balken fielen polternd in die seitlichen Maueröffnungen. Die glühende Sonnenflut, die soeben noch einmal kurz den Hof erfüllt hatte, verkümmerte augenblicklich wieder zu abendlichem Dämmerlicht, das mit dem Feuerschein einiger Kochfeuer gegen die einbrechende Dunkelheit ankämpfte. Bald wurde es Zeit, dass Akiba die Pechfackeln entzünden und in die Eisenhalterungen an den Säulen stecken ließ.
    Der Stallmeister der Karawanserei und seine Helfer eilten mit dreckigen Leibröcken, aber diensteifrig aus der Säulengalerie herbei, um den Nabatäern beim Abladen der schweren Kamellasten und beim Versorgen der Tiere zur Hand zu gehen. Am Brunnen begann man eiligst damit, Wasser zu schöpfen und schon die ersten Sauftröge zu füllen. Laute Rufe schallten über den Hof und so manch schriller Kamellaut mischte sich darunter.
    Jona wollte sein Glück nicht noch länger auf die Probe stellen. Er war gut beraten, sich jetzt unauffällig zu entfernen und zu den anderen nach oben zurückzukehren.
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