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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sich freut, als freue er sich nicht. Wer kauft, als würde er nicht Eigentümer. Wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht.‹
    Paulus schreibt diesen Brief vermutlich im Jahr 54. Bis dahin war diese Naherwartung also noch aktuell. Warum sollte man aber etwas aufschreiben, wenn man jederzeit damit rechnen musste, dass Christus wiederkommt? Zudem: Wozu hätte man eine heilige Schrift gebraucht? Man hatte ja eine, nämlich die jüdische. In der Datierung der Paulus-Briefe liegt ein weiteres Argument gegen ein frühes Entstehen der Evangelien. Dass Paulus zwischen 50 und 60 nach Christi Geburt seine Briefe schreibt, ist unstrittig - genauso wie sein Tod in Rom in den Sechzigern. Paulus erwähnt mit keiner Silbe irgendein Evangelium. Darauf hätte er sich aber berufen können - er hätte es wenigstens erwähnt, wenn es eines gegeben hätte. Dass es Evangelien gegeben hat und Paulus kannte sie nicht, ist unwahrscheinlich. Dagegen spricht seine Nähe zu den Aposteln und sein Kennen des halben bekannten Erdkreises.
    Was es wohl gibt - und darauf beruft sich Paulus auch -, das sind kleinere Sammlungen von Bekenntnissen; das bekannteste dürfte sich im 1. Korinther, Kapitel 15, Vers 3-4 zur Auferweckung Christi finden. Ähnliche kleinere Sammlungen wird es mehrere gegeben haben. Sie dienten wohl vor allem der Mission und wurden den Missionaren an die Hand gegeben.
    Ansonsten ist die Botschaft Jesu mündlich weitergegeben worden - ebenso die Erzählungen zu seinem Leben. Dabei darf man sich die Erzählungen vom Leben Jesu nicht als historische Berichte vorstellen. So etwas wie eine historische Geschichtsschreibung gab es in der Antike nicht. Selbst geschichtliche Erzählungen waren immer gefärbt - von der Intention des Erzählers oder von der Situation, in die hinein erzählt wurde. Das gehörte zur antiken Erzähltradition. Das bedeutete im erzählfreudigen Vorderen Orient auch, dass man wichtige Dinge unter Umständen nicht erklärte, sondern eine Geschichte dazu erzählte und sie dadurch anschaulich machte. Ob die Geschichte dann auch - in unserem historischen Verständnis - tatsächlich stattgefunden hat, war völlig zweitrangig. So dürfte zum Beispiel das Wunder des Seewandels Jesu zu erklären sein (z. B. Markus 6, Vers 45-52). Da man fest daran glaubte, dass Gott das Element Wasser jederzeit beherrschen und in seinen Dienst nehmen konnte (vgl. die Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer im Buch Exodus, Kapitel 14), war es für die antiken Erzähler naheliegend, Gleiches von Jesus zu erzählen, wenn man bekennen wollte: Jesus hat eine einzigartige Nähe zu Gott; er ist der Sohn Gottes. Deswegen ist das Wunder als Glaubensgeschichte zu verstehen, als Glaubensaussage, aber nicht als historischer Bericht.
    Die Evangelien entstehen vermutlich unter dem Eindruck des Todes der Augenzeugen und der ausbleibenden oder sich immer mehr verzögernden Wiederkehr Jesu. Der 2. Petrusbrief reagiert ja gerade auf die ausbleibende Parusie (Wiederkehr); Kapitel 3, Vers 3f und 8: ›Vor allem sollt ihr eines wissen: Am Ende der Tage werden Spötter kommen, die sich nur von ihren Begierden leiten lassen und höhnisch sagen: Wo bleibt denn seine verheißene Ankunft? Seit die Väter entschlafen sind, ist alles geblieben, wie es seit Anfang der Schöpfung war ... Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind.‹
    Das älteste Evangelium ist das des Markus, vermutlich geschrieben kurz vor 70 n. Chr. Die Datierung macht sich vor allem fest an der Endzeitrede in Kapitel 13. Hier sehen die Exegeten einen deutlichen Hinweis auf die bevorstehende Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jüdischen Krieg (70 n. Chr.). Die sehr deutliche Naherwartung in den Versen 24-27 passt zu dieser drangvollen Situation. Deswegen datiert Roloff 76 das Evangelium ins Jahr 69.
    Matthäus und Lukas haben das Markus-Evangelium als Quelle benutzt, müssen also später geschrieben worden sein (zwischen 80 und 90 n. Chr.). Das Johannes-Evangelium gilt als das älteste. Die Vorschläge zur Datierung reichen von 90 bis circa 110 n. Chr. Es ist von seinem ganzen Stil und von seinen Gedanken her anders als die drei anderen. Das hängt schlichtweg mit seinem Adressatenkreis zusammen, für den dieser ›Johannes‹ schreibt, und mit der Situation, aus der heraus dieser Evangelist kommt.
    Andere Aussagen sind Mindermeinungen. Der
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