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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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dass alle Evangelien entscheidend früher verfasst wurden, als man bisher angenommen hat. »Die Evangelien entstanden, weil die Augenzeugen, die man hören wollte, nicht überall sein konnten. Sie entstanden also sehr früh. Dieser ohnehin nahe liegende Schluss wird durch frühkirchliche Zeugnisse bestätigt, außerdem durch die Tatsache, dass in keiner der neutestamentlichen Schriften das am stärksten einschneidende Datum der damaligen Judenheit, deren kleinerer Teil dann die erste Christenheit wurde, erwähnt ist: die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70. Es gibt nicht einmal einen Beweis irgendwelcher Art, dass die Evangelien später als um die Mitte des 1. Jahrhunderts (also gerade mal 25-30 Jahre nach Jesu Tod, Anmerkung des Autors ) geschrieben wurden«, führt Ulrich Victor, Mitglied des Instituts für Urchristentum und Antike, in seiner lesenswerten Abhandlung 72 aus. Das gelte auch für das Lukas-Evangelium, denn: »Der Verfasser zitiert an keiner Stelle die Paulusbriefe; er musste sie deshalb nicht zitieren, weil er, wie die Wir-Stücke ab Kapitel 20 (der Apostelgeschichte, Anmerkung des Autors ) belegen, ein Reisebegleiter des Paulus war, der seiner Kenntnis der Lehren des Paulus sicher war. Wenn dieser Mann seine Geschichte der Apostel Petrus und Paulus beendet, ohne von ihrer beider Tod in Rom zu berichten, so muss jeder vorurteilsfreie Betrachter zu dem Ergebnis kommen, zu dem sowohl Harnack als auch Lietzmann, zwei große Kirchenhistoriker mit ungewöhnlichem historischem Gespür, kamen, nämlich dass er vor 64 n. Chr. starb. […] Ferner wäre es völlig unerklärlich, dass er die Zerstörung Jerusalems nicht theologisch ausgemünzt hätte, denn die Anhänger Jesu, Juden und Nicht-Juden, betrachteten die Zerstörung Jerusalems schon früh als Strafe Gottes an den Gegnern des Messias. In Apostelgeschichte 28 hätte die Erwähnung der Zerstörung Jerusalems in diesem Sinne einen passenden Platz gehabt. Es wäre außerdem recht erklärungsbedürftig, dass dieser erste Kirchenhistoriker zwar die Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus (41 n. Chr.) und des Stephanus (ca. 33/34 n. Chr.) berichtet, nicht aber die Hinrichtung des Jesus-Bruders Jakobus und einiger weiterer Gemeindemitglieder, die gesteinigt wurden, als der Hohepriester Ananos II. die Vakanz des Postens des römischen Prokurators zu einer Verfolgung der Jerusalemer Gemeinde nutzte (62 n. Chr.). Des Weiteren müsste man klären, warum Lukas mit keinem Wort die neronische Verfolgung der Anhänger Jesu (64/65 n. Chr.) erwähnt.«
    Ulrich Victor belegt in seinen weiteren Ausführungen durch zahlreiche Forschungsergebnisse auch sehr überzeugend, dass die Evangelien nicht von Jesu-Anhängern der »zweiten oder dritten Generation« geschrieben wurden, sondern von Zeitgenossen Jesu. Wären sie aus erst später entstandenen christlichen Gemeinden hervorgegangen, hätten die Evangelien zudem einen völlig anderen literarischen Charakter gehabt: »Sie wären hagiographische Texte, das heißt Texte, die in unkritischer, fantasievoller Weise ihren Gegenstand wortreich verherrlichen, wie wir es aus sehr zahlreichen Heiligenlegenden kennen[…]. Sie sind aber im Gegenteil wortkarg, nüchtern - man vergleiche die Wundergeschichten bei Philostrat mit den Wundern Jesu - und beschönigen nichts. Bei Markus (Kapitel 6, Vers 3) wird Jesus in getreuer Wiedergabe der Äußerungen seiner Landsleute als Sohn der Maria, also als uneheliches Kind bezeichnet, ein ungeheurer Makel zu dieser Zeit. An anderer Stelle sagen seine Verwandten über ihn: ›Er ist verrückt‹ (Kapitel 3, Vers 21). Im Johannes-Evangelium wirft ihm die Menge Ähnliches vor (Kapitel 7, Vers 19f.). […] Rätselhafte Geschichten […] wären zu weniger rätselhaften Geschichten umgeschrieben worden, wie es im Laufe der späteren Kirchengeschichte auch tatsächlich geschah.« - Das nur als äußerst kurzer Abriss zum neueren Forschungsstand zur Datierung der Evangelien.
    Die endgültige Zusammenstellung des Neuen Testamentes (Kanonbildung genannt), wie wir sie kennen, geht auf den aus Kleinasien stammenden Irenäus von Lyon zurück, der um 180 nach Christi das viergestaltige Evangelium begründete und sich damit gegen einen in der jungen Kirche einflussreichen Mann namens Marcion durchsetzte, der allein das Lukas-Evangelium gelten lassen wollte.
    Dass der von Irenäus von Lyon favorisierte Kanon Annahme gefunden hat und sich damit alle unterschiedlichen Strömungen der frühen christlichen Kirche im Neuen
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