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Der Gefundene Junge

Der Gefundene Junge

Titel: Der Gefundene Junge
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Verzeihung zu bitten, dann jetzt , dachte Hap. »Da ist noch etwas, das ich Ihnen erzählen muss.«
    Umber zog eine Augenbraue hoch. » Noch etwas?«
    Hap räusperte sich. »Erinnern Sie sich an den Brief von WN? Ich … habe einen Teil davon gelesen.«
    Umber stutzte. » Wie bitte? Wie denn? Ich halte ihn unter Verschluss, seit …« Er kniff die Augen zusammen und kratzte seinen sprießenden Bart. »Aaaah … als ich auf der Barke eingeschlafen bin und im Dunkeln wieder aufwachte. Hab ich doch gewusst, dass da jemand war. Die Kerze ist gar nicht von allein ausgegangen, stimmt’s?«
    Hap starrte die Steine zu seinen Füßen an. »Es war falsch, ich weiß, aber ich wollte ihn so dringend lesen. Es tut mir sehr leid, Lord Umber.«
    Umber sah Hap von der Seite an. »Und? Wie viel hast du gelesen?«
    Â»Bis zu der Stelle, wo stand ›Ich weiß, wo Du herkommst, Umber. Ich weiß auch, was mit Deiner Welt geschehen ist.‹«
    Umber mahlte mit seinem Unterkiefer. »Tja … wer bin ich, dir deswegen Vorwürfe zu machen? Du hattest Angst und warst verwirrt, von Wildfremden mitgenommen. Und ich habe dir deneinzigen Hinweis auf deine Identität vorenthalten. Ehrlich gesagt hätte ich das Gleiche getan.
    Mach dir keine Sorgen. Morgen früh gleich als Erstes zeige ich dir den ganzen Brief. Aber lass mir bitte bis dahin Zeit – ich muss dir vorher noch ein paar andere Dinge erklären und meine Gedanken ordnen. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass dann alle deine Fragen beantwortet sind, aber ich fürchte, das kann ich nicht. Nur eins wissen wir jetzt mit Sicherheit: Du bist ein Fädenzieher , Hap.«
    Ein paar Stunden später ließ der Sturm allmählich nach. Oates erschien vor Aerie und schleuderte ein Seil über den Damm. Umber befestigte es auf ihrer Seite, und Hap hielt sich krampfhaft daran fest, als sie, bis zu den Knien in den Wellen, hinüberwateten. Lady Truden wurde vor Erleichterung beinahe ohnmächtig, als Umber Aerie betrat – nicht nur, weil er nun vor Occo in Sicherheit war, sondern auch, weil offensichtlich seine düstere Stimmung verflogen war. Doch selbst seine beschwingte Laune konnte nicht verhindern, dass er sich auf ein Sofa im großen Saal fallen ließ und in einen tiefen Schlaf sank.
    Hap nahm die gepolsterte Kiste aus seiner Tasche, stellte sie vor dem Spalt in der Wand auf den Boden und öffnete den Deckel. Thimble kletterte heraus.
    Â»Danke«, sagte Hap. »Du hast uns gerettet.«
    Thimble streckte seine winzige Brust heraus. »Vergiss das nie«, sagte er und verschwand in seinem Loch.

31
    Am nächsten Tag wurde es nur langsam hell, so als wollte die Morgendämmerung die Schäden nicht enthüllen, die das Unwetter hinterlassen hatte. Der letzte Turm von Petraportus hatte nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Höhe und ragte wie ein abgebrochener Reißzahn in den Himmel. Die Hafenanlagen der Stadt waren zertrümmert. Schiffe waren halb gesunken oder auf Grund gelaufen. Der Sturm hatte Dächer abgedeckt, Kamine umgestürzt und die Marktzelte zerfetzt und umgeworfen. Doch sobald es hell genug war, machten sich die Menschen an die Reparaturarbeiten, so zahlreich und emsig wie Ameisen.
    Als Hap aus seinem Zimmer kam, erwartete ihn Lady Truden bereits im Flur. »Happenstance«, sagte sie.
    Alle seine Muskeln krampften sich zusammen. »Guten Morgen, Lady Truden.«
    Sie bewegte kaum den Mund, als sie sagte: »Ich wollte dir sagen, dass … ich meine … es sei dir verziehen, dass du in Lord Umbers Turm eingedrungen bist. Das war unter den gegebenen Umständen verständlich. Natürlich musst du uns nicht verlassen. Du bist hier immer willkommen.«
    Hap lehnte sich zur Seite, um an Lady Truden vorbeisehen zu können. Bestimmt stand jemand mit einem Schwert hinter ihr und zwang sie zu diesen Worten. Aber sie war allein.
    Â»Danke, Lady Truden«, sagte Hap.
    Â»Ich möchte dir auch sagen, dass …« Es folgte eine lange Pause. Sie fuchtelte mit den Fingern in der Luft herum, als könnte sie die Worte, die sie suchte, darin finden. »Ich habe einige Dinge gesagt, die … ich wollte nicht …« Verlegen legte sie eine Hand an den Mund. »Lord Umber ist ein großartiger Mann. Ich kann mir nicht vorstellen, ihn zu verlieren. Dass wir alle ihn verlieren, meine
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