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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß
Autoren: Stanislaw Lem
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Einleitungssitzung und möchte Ihnen meine Eindrücke anvertrauen …«
    »Merkwürdig« – sagte ich. »Ziemlich eifrig lese ich die Presse, aber ich habe nirgends die kleinste Notiz über diesen Kongreß gesehen.«
    »Weil es ein geheimer Kongreß ist. Sie verstehen doch: unter anderem müssen die Probleme des Maskierens zur Sprache kommen.«
    »Und? Es sieht schlecht damit aus?«
    »Schauderhaft« – sagte der Professor nachdrücklich. »Könnte nicht schlimmer sein!«
    »Gestern haben Sie andere Töne angeschlagen« – versetzte ich. »Das stimmt. Aber bedenken Sie bitte meine Lage: ich gewinne erst Einblick in den aktuellen Stand der Forschungen. Was ich heute gehört habe, meinerseel … Sie können sich im übrigen selbst überzeugen.« Er nahm aus der Mappe ein großes Bündel verschiedenfarbig bebänderter Stielbonbons mit Zwischenberichten und reichte es mir über den Schreibtisch. »Bevor Sie das durchstudieren, sind ein paar klärende Worte notwendig. Pharmakokratie ist Psychemokratie, die sich auf Schmierarchie stützt. So lautet der Wahlspruch unserer neuen Ära. Um die Sache noch knapper zu fassen: zur Herrschaft der Halluzinogene gehört Korruption. Just diesem Umstand verdanken wir übrigens die allgemeine Abrüstung.«
    »Endlich erfahre ich, wie das zugegangen ist!« – rief ich aus. »Ganz einfach. Bestochen wird entweder, um minderwertige Ware abzusetzen oder um sie zu bekommen, wenn sie Mangelware ist; sie kann auch in Dienstleistungen bestehen. Der Idealzustand für den Unternehmer herrscht dann, wenn er den Kaufpreis kassiert, ohne irgend etwas dafür zu liefern. Die Realyse begann meines Erachtens mit den Affären der Falschmelder und Unterschleifer, von denen Sie ja gehört haben müssen.«
    »Hab ich. Aber was ist Realyse?«
    »Wirklichkeitsschwund. Wörtlich – Auflösung des Realen. Als der Skandal der Computer-Unterschleife platzte, da wurde alles den Rechenanlagen in die Schuhe geschoben. In Wahrheit hatten mächtige Konsortien und Geheimkartelle die Hand im Spiel. Sehen Sie, es ging darum, die Planeten bewohnbar zu machen. Angesichts der Überbevölkerung ein dringendes Anliegen. Es galt riesige Raketenflotten zu bauen, Klimaverhältnisse und die Atmosphäre von Saturn und Uranus zu verändern; weit einfacher war es, dies nur auf dem Papier zu tun.« Ich wunderte mich: »Das mußte doch nach kurzer Zeit auffliegen!«
    »Keineswegs. Da ergeben sich halt unvorhergesehene objektive Schwierigkeiten, ehemals ungeahnte Probleme, Hindernisse; man braucht neue Kredite und Anweisungen … So hat etwa das Uranusprojekt bisher 980 Milliarden verschlungen, und wer weiß, ob droben auch nur ein Steinchen bewegt wurde?«
    »Und die leitenden Aufsichtskommissionen?«
    »Die Kommissionen sind nicht aus Astronauten zusammengesetzt, und der Ungeschulte kann auf jenen Planeten nicht landen. Mithin werden Bevollmächtigte abgesandt, und diese stützen sich wiederum auf das Material, das ihnen vorgelegt wird: auf Verzeichnisse, Fotos, Statistiken. Aber die Dokumentation läßt sich ja fälschen. Und noch weit leichter läßt sich alles Nötige durch Maskone vortäuschen.«
    »Ah!«
    »Sehen Sie. Schon vorher dürfte auf ähnliche Weise auch die fingierte Rüstungstätigkeit begonnen haben. Die Regierungsaufträge ergehen ja an private Firmen. Die haben Milliarden eingesteckt und nichts getan. Das heißt, sie erzeugten allerdings Lasergeschütze, Abschußanlagen, Anti-Anti-Anti-Anti-Raketen (jetzt haben wir die sechste Generation), fliegende Panzer, sogenannte U-Tassen, aber alles nur Ha-punktuell.«
    »Wie bitte?«
    »Halluzinatorisch, mein Bester. Wozu noch Kernwaffentests, wenn man Fungolpastillen hat?«
    »Was ist das?«
    »Pastillen, die bewirken, daß man nach dem Einnehmen einen Atompilz sieht. Und so ging es weiter – in Kettenreaktion: wozu noch Soldaten ausbilden? Im Mobilmachungsfall bekommen sie Drillpillen. Auch die Führerausbildung lohnt sich nicht; dafür sorgen Strategil, Generalat, Taktil, Ordol. ›Wer wird sich mit dem Clausewitz quälen? Pulver macht euch zu Generälen.‹ Kennen Sie diesen Spruch?«
    »Nein.«
    »Weil diese Präparatgarnituren geheim sind. Zumindest nicht zum Vertrieb zugelassen. Auch Truppenlandungen sind überflüssig. Es genügt, über dem Unruheherd ein geeignetes Maskon zu zerstäuben, und die Bevölkerung erblickt landende Fallschirmjäger-Einheiten, Marineinfanterie, Panzer … Ein echter Panzer kostet jetzt fast eine Million Dollar, ein halluzinierter
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