Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
wird der chemische Humbug angewandt, wird die Wirklichkeit getarnt und mit fremden Federn und Farben aufgeputzt …«
    »Und dieser Betrug ist überall, Herr Professor?«
    »Ja.«
    »Aber ich esse nicht außer Haus. Ich koche mir selbst. Wie also? Auf welchem Wege …?«
    »Wie Sie die Maskone aufnehmen? Das fragen Sie noch? Sie? Die werden ständig in der Luft zerstäubt. Mensch, erinnern Sie sich nicht an die Aerosole von Costricana? Das waren die ersten zaghaften Versuche. Etwa wie die Montgolfiere als Vorstufe zur Rakete.«
    »Und alle wissen das? Und können damit leben?«
    »Durchaus nicht. Niemand weiß davon.«
    »Keine Gerüchte, kein Klatsch?«
    »Klatsch ist überall. Bedenken Sie jedoch: es gibt ja Amnestan. Von manchen Sachen weiß jedermann, von anderen weiß kein Mensch. Die Pharmakokratie hat einen öffentlichen und einen geheimen Teil. Der erste stützt sich auf den letzteren.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Nicht? Warum denn nicht?«
    »Die Strohmatten muß irgendwer instand halten, und irgendwer muß das Steingut verfertigen, wovon wir in Wirklichkeit essen, und diesen Brei, der sich als Braten verkappt. Und überhaupt alles!«
    »Gewiß doch. Sie haben recht. Alles muß erzeugt und erhalten werden. Na und?«
    »Die das tun, die sehen und wissen alles.«
    »Nicht die Spur, Tichy. Sie denken immerzu in urtümlichen Kategorien. Die Leute glauben in eine glaspalastartige Fabrik zu gehen. Beim Eingang bekommen sie Antihall und erkennen die nackten Betonmauern und die Arbeitsplätze.«
    »Und da wollen die noch arbeiten?«
    »Mit dem größten Eifer, da sie auch eine Prise Sakrifiz bekommen haben. Arbeit ist demnach Aufopferung. Etwas Rühmliches. Zum Feierabend genügt ein Schluck Amnestan oder Mnemolysol, und jeder vergißt, was er gesehen hat.«
    »Bis jetzt fürchtete ich, in einer Halluzination zu leben. Nun merke ich, wie dumm ich war. Gott, wie gern ginge ich zurück! Was gäbe ich nicht dafür!«
    »Zurück? Wohin?«
    »In den Kanal unterm Hilton-Hotel.«
    »Unsinn! Sie verhalten sich unklug, um nicht zu sagen, dumm. Sie sollten dasselbe tun wie alle, essen und trinken wie alle; dann bekämen Sie die nötigen Mengen Optimister und Seraphin und wären in fabelhafter Laune.«
    »Auch Sie als Advokat des Teufels?«
    »Seien Sie vernünftig. Ist es teuflisch, wenn der Arzt notfalls den Kranken belügt? Wenn wir nun mal so leben müssen, so wohnen und essen, dann soll sich das Ganze doch lieber in hübscher Verpackung darbieten. Die Maskone wirken unfehlbar, außer in einem einzigen Fall; was soll daran Übles sein?«
    »Ich fühle mich außerstande, jetzt mit Ihnen diese Frage zu diskutieren« – sagte ich etwas gefaßter. »Bitte beantworten Sie mir nur zwei Fragen, aus Verbundenheit mit den alten Zeiten: in welchem einzigen Fall wirken die Maskone nicht? Und wie ist es zur allgemeinen Abrüstung gekommen? Ist auch sie nur vorgespiegelt?«
    »Nein. Zum Glück ist sie ganz echt. Aber um Ihnen dies zu erklären, müßte ich einen ganzen Vortrag halten, und für mich wird es schon Zeit …« Wir verabredeten uns für den folgenden Tag. Beim Abschied fragte ich neuerlich nach dem Versagen von Maskonen. »Gehen Sie bitte auf den Rummelplatz« – sagte der Professor und erhob sich. »Wenn Sie unliebsame Enthüllungen wünschen, besteigen Sie das größte Karussell, und sobald es auf vollen Touren läuft, schneiden Sie mit dem Taschenmesser ein Loch in die Hülle der Kabine. Die Hülle wird just deshalb benötigt, weil sich während des Herumwirbelns die Phantasmen verschieben, womit das Maskon die Wirklichkeit verdunkelt. So, als spreizte die Fliehkraft die Scheuklappen auseinander. Mein Lieber, Sie werden sehen, was dann hinter den holden Trugbildern hervorlugt …« Gebrochen schreibe ich dies um drei Uhr morgens. Was kann ich hinzufügen? Ich erwäge ernstlich, vor der Zivilisation zu fliehen, mich irgendwo in der Einöde zu verkriechen. Selbst die Galaxis lockt mich nicht mehr; Reisen hat keinen Reiz, wenn du nirgendshin heimkehren kannst. 5. 10. 2039. Den freien Vormittag verbrachte ich in der Stadt. Mit kaum beherrschtem Entsetzen besah ich die allgegenwärtigen Anzeichen von Lebensstandard und Luxus. Eine Kunstgalerie in Manhattan ermunterte zum Kauf spottbilliger Originalgemälde von Rembrandt und Matisse. Daneben werden herrliche Möbel aus der Epoche der französischen Ludwige angeboten, Marmorkamine, Throne, Spiegel, sarazenische Rüstungen. Unmengen von Auktionen. Häuser werden verkauft wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher