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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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lassen wird auf Erden.«
    Bevor er ihr noch erklären konnte, wie so ein Wunder geschehen sollte, wurde Elia ohnmächtig.
    Die Frau blickte auf den Mann, der zu ihren Füßen zusammengebrochen war. Sie wußte, daß der Gott Israels nur ein Aberglaube war. Die phönizischen Götter waren mächtiger, hatten ihr Land zu einem der geachtetsten der Welt gemacht. Doch sie war froh, denn für gewöhnlich war sie es, die um Almosen bettelte, und heute geschah es zum ersten Mal seit langem, daß ein Mann sie brauchte. Das vermittelte ihr das Gefühl, stark zu sein. Es gab also Menschen, denen es schlechter ging als ihr.
    >Wenn mich jemand um einen Gefallen bittet, dann zeigt das, daß ich auf Erden noch etwas wert bin<, dachte sie. >Ich werde tun, worum er mich gebeten hat, nur um sein Leiden zu lindern. Auch ich weiß, was Hunger heißt und wie er die Seele zerstört.«
    Sie ging ins Haus und kam mit einem Stück Brot und einem Krug Wasser zurück. Sie kniete nieder, bettete den
    Kopf des Fremden in ihren Schoß und begann seine Lippen zu benetzen. Wenige Minuten darauf hatte er das Bewußtsein wiedererlangt.
    Sie streckte ihm das Brot hin, und Elia aß wortlos, blickte auf das Tal, die Schluchten und die Berge, die schweigend zum Himmel wiesen. Er konnte das ganze Tal überblicken und sah die roten Mauern der Stadt Akbar.
    »Gebt mir Herberge bei Euch, denn ich werde in meinem Land verfolgt«, sagte Elia.
    »Was für ein Verbrechen habt Ihr begangen?« fragte sie.
    »Ich bin ein Prophet des Herrn. Isebel ließ alle töten, die sich weigerten, ihre phönizischen Götter anzubeten.«
    »Wie alt seid Ihr?«
    »Dreiundzwanzig«, antwortete Elia.
    Sie blickte den jungen Mann vor sich voller Mitleid an. Er hatte langes, schmutziges Haar; er trug einen noch spärlichen Bart, als wollte er älter aussehen, als er tatsächlich war. Wie wollte ein armseliger Mann wie er die mächtigste Prinzessin der Welt herausfordern?
    »Wenn Ihr Isebels Feind seid, seid Ihr auch mein Feind. Sie ist eine Prinzessin aus Sidon, die es sich bei ihrer Heirat mit Eurem König zum Ziel gesetzt hat, Euer Volk zum wahren Glauben zu bekehren. So sagen jedenfalls die, die sie kennengelernt haben.«
    Sie wies auf den Gipfel eines der Berge, die das Tal umschlossen.
    »Unsere Götter wohnen seit vielen Generationen dort oben auf dem Fünften Berg, und durch sie haben wir Frieden in unserem Land. Israel hingegen lebt im Krieg und im Leid. Wie könnt Ihr da weiter an den Einzigen Gott glauben? Laßt Isebel etwas Zeit, und Ihr werdet sehen, daß auch in Euren Städten Frieden herrschen wird.«
    »Ich habe die Stimme des Herrn vernommen«, entgegnete Elia. »Ihr Phönizier seid jedoch nie auf den Fünften Berg gestiegen, um Euch dort oben umzusehen.«
    »Wer auf diesen Berg steigt, den verbrennen die himmlischen Feuer. Die Götter mögen keine Fremden.«
    Sie hielt inne. Sie erinnerte sich, daß sie in jener Nacht im Traum ein sehr helles Licht gesehen hatte. Mitten aus diesem Licht aber war eine Stimme gekommen, die gesagt hatte: »Nimm den Fremden auf, der dich aufsuchen wird.«
    »Beherbergt mich bei Euch, denn ich habe keinen Ort, an dem ich schlafen kann«, beharrte Elia.
    »Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich arm bin. Es reicht kaum für mich und meinen Sohn.«
    »Der Herr hat Euch gebeten, mich bei Euch aufzunehmen. Er verläßt den nie, der ihn liebt. Tut, um was ich Euch bitte. Ich werde für Euch arbeiten. Ich bin Tischler, ich kann mit Zedernholz arbeiten, und es wird mir an Arbeit nicht mangeln. So wird der Herr meine Hände benutzen, um Sein Versprechen zu halten: Das Mehl im Rad soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, da der Herr regnen lassen wird auf Erden.«
    »Selbst wenn ich es wollte, so könnte ich Euch nicht bezahlen.«
    »Das braucht Ihr nicht. Der Herr wird es richten.«
    Von ihrem Traum in jener Nacht verwirrt, beschloß die Frau zu gehorchen, obwohl der Fremde ein Feind der Prinzessin von Sidon war.
    Elias Anwesenheit wurde sogleich von den Nachbarn bemerkt. Sie nahmen es der Witwe übel, daß sie einen Fremden in ihr Haus aufgenommen hatte und so das Andenken an ihren Mann schändete, der die Handelsrouten seines Landes zu erweitern versuchte und dabei einen heldenhaften Tod gefunden hatte.
    Als ihr die üblen Nachreden zu Ohren kamen, verwahrte sich die Witwe dagegen und erklärte, daß es sich bei dem Mann um einen Propheten aus Israel handelte, der fast verhungert und verdurstet wäre. Und
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