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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
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äußern.«
    »Wir wären in der Tat dankbar, wenn wir für eine Weile beritten weiterziehen könnten«, sagte Herluin und kam dabei einem Lächeln so nahe, wie seine Züge es eben erlaubten, »denn wir beabsichtigen, wenigstens bis zu unseren Brüdern in Worcester zu gelangen, vielleicht auch nach Evesham und Pershore, und wir könnten leicht über Shrewsbury zurückkehren und die Pferde bei Euch wieder abliefern. Die unsrigen wurden uns alle von Geoffreys Schurken gestohlen.
    Zuerst aber, wenn möglich heute noch, möchten wir mit Bruder Sulien sprechen.«
    »Wie es Euch beliebt«, sagte Radulfus nur. »Ich glaube, Bruder Cadfael ist am besten mit dem Weg vertraut – man muß eine Fähre benutzen – und auch mit der Familie des Herrn von Longner. Es empfiehlt sich wohl, daß er Euch begleitet.«
    »Bruder Sulien«, sagte Cadfael, als er mit Bruder Anselm, Vorsänger und Bibliothekar, den Hof überquerte, »ist schon eine Weile nicht mehr Bruder genannt worden und wird wohl kaum wieder Gefallen an diesem Titel finden. Und das hätte Radulfus diesem Herluin ruhig sagen können, denn er kennt die ganze Geschichte des jungen Mannes so gut wie ich. Aber hätte er es gesagt, würde Herluin ihm wahrscheinlich gar nicht zugehört haben. ›Bruder‹ bedeutet für Sulien jetzt nichts anderes als sein leiblicher Bruder Eudo. Sulien läßt sich für die Waffen schulen und wird einer von Hughs jungen Männern in der Garnison oben in der Burg sein, sobald seine Mutter gestorben ist, und das wird, wie ich höre, nicht mehr lange dauern. Zudem wird er ein verheirateter Mann sein, noch ehe das geschehen ist. An eine Rückkehr nach Ramsey ist da nicht zu denken.«
    »Wenn der Abt den Jungen nach Hause geschickt hat, damit er eine eigene Entscheidung treffen möge«, meinte Anselm nachdenklich, »kann der Subprior kaum das Recht haben, ihn allzusehr unter Druck zu setzen und zu einer Rückkehr zu zwingen. Er mag ihm zureden, ihn ermahnen, aber er ist machtlos, wenn der junge Mann sich nicht bewegen läßt. Es kann allerdings sein«, fügte er trocken hinzu, »daß er sich vor allem einen Ablaß in Silber davon verspricht.«
    »Das ist durchaus denkbar, und den bekommt er wahrscheinlich auch. Es gibt in diesem Hause mehr als ein Gewissen, das sich Ramsey gegenüber schuldig fühlt«, stimmte Cadfael zu. »Und was«, fragte er, »hältst du von dem anderen?«
    »Von dem Jungen? Ein Schwärmer, ein Träumer mit einer Anmut und einer Inbrunst, die durch seine kindlichen Wangen schimmern. Wahrscheinlich als Begleiter für Herluin ausgewählt, um dessen Eiseskälte auszugleichen, was meinst du?«
    »Und wie hat er diesen fremdländischen Namen bekommen?«
    »Tutilo! Ja«, sagte Anselm sinnend, »gewiß nicht bei seiner Taufe! Es muß einen Grund geben, weshalb man diesen Namen für ihn gewählt hat. Tutilo gehört zu den Heiligen des März, allerdings beachten wir ihn hier kaum. Er war ein Mönch in Sankt Gallen und ist seit über zweihundert Jahren tot. Nach dem, was man hört, war er Meister in allen Kunstarten, Maler, Dichter, Musiker und dergleichen. Vielleicht haben wir einen begabten Jüngling unter uns. Ich will ihn dazu bringen, sich an Rebec oder Drehleier zu versuchen, und sehen, was dabei herauskommt. Wir hatten einst einen fahrenden Sänger hier, erinnerst du dich? Der kleine Schelm, der sich die Küchenmagd des Goldschmieds zur Frau nahm, bevor er uns verließ. Ich flickte ihm damals die Rebec. Wenn sich Tutilo als besser denn jener erweist, hat er vielleicht ein Anrecht auf den Namen, den sie ihm gegeben haben. Horch ihn ein wenig aus, Cadfael, wenn du ihn heute nachmittag nach Longner begleitest. Herluin wird mit seinem verirrten Schäfchen beschäftigt sein. Versuch, an Tutilo heranzukommen.«
    Der Pfad zum Gutshof von Longner zweigte in nordöstlicher Richtung von der Straße der Abteivorstadt ab, schlängelte sich durch ein kleines, dichtes Wäldchen und führte auf einen gras- und heidebewachsenen Kamm, der einen Blick auf den gewundenen Lauf des Severn gewährte. Der Fluß war angeschwollen und trug herabgefallene Äste und Grasbüschel von der Uferböschung in seinem Lauf. Es hatte im Winter viel Schnee gegeben, ohne große Stürme oder Frost. Das Tauwasser füllte die Täler, und selbst auf den Wiesen zwischen Fluß und Bach rann es und rieselte silbrig zwischen den Gräsern. Die Furt ein wenig flußaufwärts war schon unpassierbar, die Insel, die normalerweise das Überqueren des Flusses vereinfachte, war
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