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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
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einen Schatz kostbarer als Rubine. Sie zu besitzen, hieß, ein Instrument zu besitzen, und als solches betrachtete er sie. Da war kein Falsch in seinem Kummer und Entsetzen. »Sie darf nicht gehen! Ich muß sie suchen. Sie gehört mir, ich habe sie gekauft. Euer Ehren, gewährt mir einen kurzen Aufschub, bis ich sie gefunden habe. Sie kann nicht weit sein. Zwei Tage… einen Tag…«
    »Noch eine Suche? Noch eine Enttäuschung?« rief der Graf und schüttelte energisch den Kopf. »Ich hatte auch schon Wunschträume wie Ihr, aber ihnen immer nachzulaufen, führt nur zu immer wieder neuen Niederlagen. Sie war in der Tat, nein, sie ist ein sehr kostbares Gut, Rémy, mit einem hübschen Glockenspiel in der Kehle, einer leichten Hand mit Drehleier und Saite. Ich bin inzwisehen schon zu lang von zu Hause fort, und wenn Ihr bei mir Anstellung wünscht, so solltet Ihr jetzt mit mir reiten und vergessen, daß Ihr für etwas zahltet, das unbezahlbar ist. Es führt zu nichts. Es gibt noch andere, die so begabt sind wie Daalny, und Ihr sollt die Mittel bekommen, so jemanden zu finden, und ich verspreche Euch, der- oder diejenige wird zufrieden sein.«
    Was er gesagt hatte, war ernst gemeint, und Rémy wußte es.
    Es fiel ihm sichtlich schwer, sich zwischen seiner Sängerin und einer gesicherten Zukunft zu entscheiden. Cadfael sah ihn heftig schlucken und halb dabei ersticken und hatte in diesem Augenblick beinahe Mitleid mit ihm. Andererseits, bei einem so mächtigen, so gebildeten und so ernsthaften Gönner wie Robert Beaumont konnte Mitleid mit Rémy de Pertuis nicht von langer Dauer sein.
    Bevor Rémy nachgab, sah er sich nach einer verläßlichen Person um. »Vater Abt, oder Ihr, verehrter Sheriff – ich möchte nicht, daß sie einsam ist oder Not leidet, niemals. Sollte sie wieder auftauchen oder solltet Ihr von ihr hören, so bitte ich Euch, es mich wissen zu lassen, damit ich sie holen kann. Sie wird mir immer willkommen sein.«
    Wohl wahr, und wie es sich anhörte, meinte er es nicht nur so, weil sie für ihn eine kostbare Stimme gewesen war.
    Vielleicht war ihm bis dahin nie bewußt gewesen, daß sie mehr als ein Besitztum war, daß sie vielmehr ein Menschenkind war, das Hunger leiden, gar verhungern, Bösewichtern in die Hände fallen, auf tausend verschiedene Arten zu Schaden kommen konnte. Ihre Flucht war wie die einer Nonne, die die Welt ihrer Kindheit verlassen wollte, weil sie ihr keine Geborgenheit bot.
    So wenigstens schien er jetzt von ihr zu denken, sah sie so in dem Augenblick, da sie aus seinem Blickfeld verschwand. Wie wenig er sie doch gekannt hatte! »Nun, Euer Gnaden, ich habe getan, was ich konnte. Ich bin bereit.«
    Sie waren fort, allesamt, schon vorbei an der Abteivorstadt in Richtung Saint Giles, Robert Beaumont, Graf von Leicester, Pferd an Pferd mit Subprior Herluin von Ramsey, dessen Stimmung, seitdem er die Früchte seiner Mühen in Shrewsbury wie durch ein Wunder erneut eingesammelt hatte, wiederhergestellt war und der zufrieden war, in der Gesellschaft eines Edelmanns solchen Ranges zu reisen; hinter ihnen Roberts beide Knappen, der jüngere immer noch etwas zerknirscht, auf einem Tier reiten zu müssen, das ihm nicht vertraut war, aber froh, wieder nach Hause zu kommen; Herluins Laiendiener, der den Gepäckwagen lenkte, und Nicol, der die Nachhut bildete und froh war, reiten zu dürfen, statt laufen zu müssen. Innerhalb der Kirche war ihr Hufgetrappel zu hören, bis sie den Pferdemarkt erreichten. Dann kehrte wohltuende Stille ein, Zeit, um zu atmen und nachzudenken.
    Abt Radulfus und Prior Robert hatten sich wieder ihren gewohnten Pflichten zugewandt, die Brüder den ihren. Es war vorbei.
    »Nun«, sagte Cadfael, dankbar den Kopf vor der heiligen Winifred neigend, »ein liebenswürdiger, ungefährlicher Gauner, der nicht fürs Kloster geeignet ist, genausowenig wie das Mädchen für die Sklaverei – warum also klagen? Ramsey wird sehr gut ohne ihn auskommen, und Partholans Königin ist nicht länger Sklavin. Gewiß, sie hat ihr Gepäck verloren, doch das hätte sie wohl ohnehin abgeworfen. Sie sagte mir, Hugh, daß sie nichts besitzt, nicht einmal die Kleider, die sie trägt. Sie wird damit leben können, nur die wenigen Dinge, die sie am Leibe trägt, gestohlen zu haben.«
    »Und der Junge«, sagte Hugh, »hat nur ein Mädchen gestohlen.« Und er fügte mit einem Seitenblick auf Cadfaels zufriedene Miene hinzu: »Wußtest du, daß Tutilo schon dort war, als du ihr in die Kirche gefolgt
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