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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
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beugte sich vor, um den anderen Ärmel zu untersuchen. Bis über eine Handbreit vom Saum entfernt waren beide Aufschläge mit kleinen runden Flecken übersät, von denen nur noch die schwachen blaßroten Ränder zu erkennen waren. Cadfael hatte ähnliches schon oft genug gesehen, um genau zu wissen, um welche Flecken es sich handelte. Ähnlich erging es wohl auch Robert Bossu.
    »Das ist Blut«, sagte der Graf.
    »Es ist Aldhelms Blut«, sagte Cadfael. »Es regnete in jener Nacht. Bénezet wird einen Umhang getragen haben, dicke schwarze Wolle saugt Blut auf, und ich bin sicher, er war vorsichtig. Aber…«
    Aber ein schwerer, zerklüfteter Stein, mit beiden Händen hochgehoben und auf den Schädel eines bewußtlosen Mannes geschmettert – und egal wie es bewerkstelligt wurde, wie bedachtsam es ausgeführt wurde, ganz ohne Eile und ohne Furcht, gestört zu werden – , mußte zumindest an Händen und Handgelenken des Mörders Spuren zurücklassen. Das meiste Blut war wahrscheinlich in den Boden gesickert oder an dem Stein haftengeblieben, aber ein paar Spritzer werden auch Fleisch und Leinen beschmutzt haben. Und aus Leinenstoff lassen sich die kleinen, verräterischen Flecken nur schwer entfernen, es sei denn, man legt ihn sofort in Lauge.
    »Jetzt erinnere ich mich«, sagte Rémy kopfschüttelnd und selbstvergessen, »ich war in jener Nacht bei Euch zu Gast, Vater Abt, und Bénezet hatte Ausgang. Er gab vor, den Abend in der Stadt verbringen zu wollen.«
    »Und er war es auch, der dem Mädchen erzählte, daß Aldhelm hier erwartet wurde, und sie war es, die Tutilo warnte, sich so lange von hier fernzuhalten. Also wußte er von der Gefahr, wenn es denn eine Gefahr für ihn war. Aber er war sich dessen wohl nicht sicher. Es hätte schon ausgereicht, daß Aldhelm, der aufgefordert war, sich genau an alles zu erinnern, sich allzu vieler Dinge würde erinnern können, die er in aller Unschuld gesehen hatte. Und deshalb ist er in aller Unschuld tot. Und Bénezet ist sein Mörder. Doch Bénezet wird niemals erfahren, genauso wenig wie wir, ob er umsonst gemordet hat.«
    Alan Herbard, Hughs Stellvertreter in der Garnison, kam eine Stunde vor Mittag zum Tor hereingeritten.
    Die Gesellschaft hatte sich nach dem um Daalnys willen gewährten Aufschub aufs neue zum Aufbruch versammelt, und Cadfael, selbsternannter Verwalter ihrer Interessen, hatte aus gutem Grund eben erst sehr höflich um Erlaubnis gebeten, sie aufsuchen und bitten zu dürfen, sich der Reisegesellschaft anzuschließen, vorausgesetzt, sie fühlte sich genügend erholt.
    Alle anderen hatten die Zeit genutzt, die Flut von Enthüllungen und Schrecken, die nun abzuebben versprach, zu verarbeiten, nachdem sie das Leben vieler verändert hatte. Subprior Herluin hatte zwar einen Novizen verloren und seine Rache für die schmerzlichen Kränkungen nicht ausführen können, dafür aber die Schätze zurückbekommen, die er für immer verloren wähnte, und, Sünde, Tod und Gewalt zum Trotz, hatte sich seine finstere Morgenmiene fast zu Wohlwollen aufgehellt.
    Rémy hatte einen Diener verloren, dafür aber seine Zukunft durch einen einflußreichen neuen Herrn gesichert: Ein Diener läßt sich leicht ersetzen, und der Zugang zum Haus eines der mächtigsten Grafen im Land ist ein Gewinn fürs Leben. Rémy hatte keinen Grund zu klagen. Er hatte nicht einmal sein Pferd verloren, denn das gestohlene Tier gehörte dem Knappen von Robert Bossu. Befreit von seinen Satteltaschen, schien Bénezets stämmiger Rotschimmel gleichmütig auf einen anderen Reiter zu warten. Nicol würde ihn reiten, während sein Gefährte den Gepäckwagen lenkte. Alles würde sich bald wieder in den Alltag fügen, wie sehr dieser auch von seinem bisherigen Lauf abwich.
    Und plötzlich war da also Alan Herbard unter dem Tor, sprang aus dem Sattel, neugierig, aber ein wenig scheu, sich Hugh in dieser illustren Gesellschaft zu nähern.
    »Wir haben den Mann, Sir. Ich bin vorausgeritten, um es Euch zu melden. Er wird hierher gebracht. Wo wollt Ihr ihn einsperren? In der Eile habt Ihr nicht gesagt, wessen er beschuldigt wird.«
    »Er ist des Mordes angeklagt«, sagte Hugh. »Bringt ihn auf die Burg hinter Schloß und Riegel. Ich bin so bald als möglich dort. Ihr ward schnell. Weit kann er nicht gekommen sein. Was geschah?«
    »Wir folgten ihm eine Meile oder zwei in den Großwald hinein, und als wir ihm immer näher kamen, riß er plötzlich die Zügel herum und versuchte, uns im dichten Wald
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