Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
abzuhängen.
    Ich glaube, er hat eine Hirschkuh aufgeschreckt und das Pferd scheute, denn wir hörten ihn fluchen. Und das Tier wieherte und schnaubte und bäumte sich auf. Ich glaube, er griff zum Degen, um das Pferd damit…«
    Der Knappe war nähergetreten, um zu hören, was seinem Pferd zugestoßen war, und sagte: »Conradin würde das niemals erdulden.«
    »Er hatte ein ganzes Stück Vorsprung. Wir konnten uns nur anhand der Geräusche zusammenreimen, was dort geschah.
    Aber ich glaube, das Pferd bäumte sich auf und warf ihn ab, wobei er gegen einen tiefhängenden Ast schlug, denn er lag, als wir ihn fanden, halbbetäubt unter einem Baum. Er hinkt, aber das Bein ist nicht gebrochen. Er war völlig benommen und hat uns keine Schwierigkeiten gemacht.«
    »Das wird er vielleicht noch«, sagte Hugh warnend.
    »Will ist kein Anfänger, er wird ihn schon festhalten. Aber das Pferd«, sagte Alan, ein wenig kleinlaut, »das haben wir nicht einfangen können. Es ist davongesprengt, bevor wir die Stelle erreichten. Wir haben uns umgeschaut, so gut es ging, weil wir doch den Mann zu bewachen hatten, aber es war nirgends zu sehen, nicht einmal zu hören. Ohne Reiter wird es gewiß ein paar Meilen davongaloppiert sein, bis es zur Ruhe gekommen ist.«
    »Und Zaum und Satteltaschen sind auch verloren«, sagte der glücklose Besitzer und verzog das Gesicht, doch schon im nächsten Augenblick lachte er. »Euer Gnaden, Ihr seid mir neue Kleider schuldig, wenn er unwiederbringlich auf und davon ist.«
    »Wir werden gründlich nach ihm suchen«, versprach Alan.
    »Wir werden es schon für Euch finden. Aber erst einmal will ich mich vergewissern, daß der Mörder hinter Schloß und Riegel ist.«
    Er verbeugte sich vor dem Abt und dem Grafen, stieg auf sein Pferd und war schon auf und davon. Die, die zurückblieben, sahen sich an wie Menschen zur Stunde des Erwachens, einen Augenblick unsicher, ob das, was sie sahen, Wahrheit oder Traum war.
    »Es ist vorbei«, sagte Robert Bossu. »Wenn dies das Ende ist!« Und er richtete seinen ernsten, umsichtigen Blick auf den Abt. »Es scheint, Vater, als würden wir unseren Abschied zweimal erleben, doch diesmal ist es ernst, wir müssen gehen.
    Ich vertraue darauf, daß wir uns unter glücklicheren Umständen wiedersehen werden, aber jetzt werdet Ihr froh sein, uns aus den Augen und aus dem Sinn zu haben, bei all den Unannehmlichkeiten, die wir Euch bereitet haben. Euer Haus wird ohne uns friedlicher sein.« Und indem er nach seinem Zügel griff, sagte er zu Cadfael: »Seid so gut und fragt die junge Dame, ob sie sich in der Lage fühlt, sich uns anzuschließen. Es ist höchste Zeit, daß wir aufbrechen.«
    Er war nur wenige Augenblicke fort, bevor er wieder allein aus der Südtür und dem Kreuzgang trat.
    »Sie ist fort«, sagte Bruder Cadfael, die Stimme sanft, die Miene ausdruckslos. »Es ist niemand in der Kirche außer Cynric, der Küster von Vater Boniface. Er ist dabei, den Altar zu schmücken und hat in der letzten halben Stunde niemanden ein- oder ausgehen sehen.«
    Später fragte er sich manchmal, ob Robert Bossu nicht sogar damit gerechnet hatte. Er war ein Mann von durchdringendem Scharfsinn, der den Scharfsinn anderer hoch schätzte und tiefer in einen Menschen hineinzuschauen vermochte als die meisten anderen. Auch war er nicht abgeneigt, den Fuchs im Gänsestall loszulassen. Aber nein, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet. Dafür hatte er Daalny nicht lange genug gekannt.
    Wäre sie mit nach Leicester gekommen, so hätte er sie nach ein paar Wochen schon gut einzuschätzen vermocht, nicht nur was ihr musikalisches Talent betraf. Aber einerlei, er schien nicht sehr überrascht. Nicht er, sondern Rémy de Pertuis stieß einen schmerzlichen Schrei aus:
    »Nein! Sie kann nicht fort sein. Wohin sollte sie gehen? Sie gehört mir! Seid Ihr sicher? Nein, sie muß dort sein, Ihr hattet nicht genug Zeit, um überall zu suchen…«
    »Ich habe sie dort vor einer Stunde zurückgelassen«, sagte Cadfael ruhig, »vor dem Altar der heiligen Winifred. Sie ist nicht mehr dort. Überzeugt Euch selbst. Die Kirche war schon leer, als Cynric kam, den Altar zu schmücken.«
    »Sie ist mir davongelaufen!« klagte Rémy leichenblaß und niedergeschlagen, nicht nur den Verlust seines wertvollsten Besitzes beklagend und noch weniger den eines geliebten Wesens: Sie war seine Sängerin, und er war als Provenzale ein bedingungsloser Musiker, für den eine gute Stimme das reinste Gold darstellte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher