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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
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konnten die ersten mühsamen Schritte getan werden.
    Und vor Ablauf des Jahres erreichte die Kunde auch Abt Walter von Ramsey zusammen mit der Sterbebettverfügung Geoffreys, durch die jener sein Kloster zurückerhielt. Er stattete Gott dem Herrn den schuldigen Dank ab und schickte Boten aus, nach seinem Prior, seinem Subprior und den verstreuten Brüdern, die völlig mittellos vertrieben worden waren und irgendwo hatten Unterschlupf suchen müssen – manche bei ihren Verwandten, manche in anderen gastfreundlichen Benediktinerabteien. Diejenigen, die in der Nähe untergekommen waren, eilten rasch herbei und fanden ihre Abtei völlig verwüstet vor. Von den Klostergebäuden waren nur mehr leere Hüllen zurückgeblieben, die Felder lagen brach, die Gutshöfe, die ehemals dem Kloster gehört hatten, waren von Dieben und Landstreichern bewohnt und all ihrer Schätze beraubt. Die Mauern, so hieß es, hätten vor Kummer geblutet.
    Aber dennoch: Abt Walter und seine Brüder machten sich daran, ihr Haus und ihre Kirche wieder aufzubauen, und sandten allen Mönchen und Novizen, die in der Ferne Zuflucht gefunden hatten, die Nachricht von ihrer Rückkehr. Da sie Mitglieder einer größeren Brüderschaft waren, die dem Benediktinerorden nahestand, verschickten sie auch einen dringenden Hilferuf um Almosen, Baumaterial und Arbeitskräfte für den raschen Wiederaufbau des geheiligten Ortes.
    Die Nachricht, die Einladung und der Hilferuf erreichten gerade zur rechten Zeit das Pförtnerhaus der Abtei St. Peter und St. Paul in Shrewsbury.

1. Kapitel
    Die Boten trafen während des halbstündigen Kapitels ein und weigerten sich zu essen, zu trinken, zu ruhen oder auch nur den Schmutz der Straßen von den Füßen zu waschen, bis sie in den Kapitelsaal vor die Versammlung geführt worden waren und ihren Auftrag erfüllt hatten.
    Jetzt standen sie da, aller Augen auf sie gerichtet, und wollten sich nicht setzen, ehe ihr Anliegen vorgetragen war.
    Subprior Herluin, ein Mann von großer Erfahrung und Autorität und von eindrucksvoller Erscheinung, stand dem Abt gegenüber, die schmalen Hände vor dem Gürtel gefaltet. Der junge Novize, der mit ihm von Ramsey gekommen war, hielt sich bescheiden einen oder zwei Schritt zurück und ahmte demütig die reglose Haltung des Subpriors nach. Die drei Laiendiener ihres Hauses und Begleiter auf ihrer Reise hatten sie beim Pförtner im Torhaus zurückgelassen.
    »Vater Abt, wie jedermann kennt Ihr unsere beklagenswerte Geschichte. Zwei Monate sind jetzt vergangen, seit uns Haus und Ländereien wieder überlassen wurden. Abt Walter ruft nun all jene Brüder zu ihren Pflichten zurück, die fliehen und anderswo Unterschlupf suchen mußten, nachdem die Rebellen und Marodeure uns alles entrissen und uns mit vorgehaltener Klinge vertrieben hatten. Diejenigen von uns, die in der Nähe bleiben konnten, kehrten so bald als möglich an die Seite unseres Abtes zurück. Was wir vorfanden, war die reine Verwüstung. Wir waren die rechtmäßigen Besitzer vieler Lehnshöfe gewesen, nach der Enteignung aber wurden sie solchen gesetzlosen Schurken übergeben, die bereit waren, de Mandeville zu unterstützen. Und so hilft es uns gar nichts, sie zurückzufordern, da wir sie nur per Gesetz von den Banditen zurückbekämen, und das Gesetz wird Jahre brauchen, um uns zu unserem Recht zu verhelfen. Außerdem wird dann alles, was Wert hat, geplündert und zerstört, vielleicht sogar niedergebrannt sein. Und innerhalb des Klosters…«
    Er besaß eine klare, überzeugende Stimme, die bis an diesen Punkt kräftig, aber leidenschaftslos geklungen hatte.
    Doch als er jetzt den Tag der Rückkehr zu schildern begann, konnte er einen Augenblick lang seine Empörung nicht im Zaume halten.
    »Ich war dort. Ich habe gesehen, was sie aus dem geheiligten Ort gemacht haben. Ein Greuel! Einen Abfallhaufen!
    Die Kirche geschändet, das Kloster ein schmutziger Stall, Schlaf- und Speisesaal ihrer Holztäfelung beraubt, um sie zu verfeuern, alle Vorräte aufgebraucht und alles Wertvolle, was wir nicht hatten verstecken können, gestohlen. Alle Dachplatten von den Dächern gerissen, alle Türen und Fenster weit geöffnet und das Innere den Unbilden der Witterung ausgesetzt. Nicht einmal einen Topf zum Kochen, nicht ein einziges Meßbuch, nicht ein Stück Pergament haben sie zurückgelassen. Zerstörte Mauern, völlige Leere, Wüstenei. Und all das wieder aufzubauen, schöner noch als zuvor, dazu haben wir uns verpflichtet. Aber das können
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