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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb
Autoren: Ellis Peters
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Wundertäter auf dem besten Weg, ein Heiliger zu werden. Es gab in Cadfaels Hagiographie ein paar weit unerfreulichere Heilige, denen er am liebsten nicht den Heiligenstand zugebilligt hätte, die er ärgerlicherweise aber anerkennen mußte. Alles in allem empfand er fast so etwas wie Mitleid mit Subprior Herluin, der im Begriff war, seine Waffen im Kampf mit dem unverwundbaren Schild der Liebe abzustumpfen. Sollte er nur versuchen, Pernel Otmere von Sulien Blount wegzureißen!
    Er, Cadfael, kannte die beiden inzwischen zu gut, um solch einem Unterfangen Aussicht auf Erfolg zuzubilligen.
    Er merkte, daß er bislang keine allzu große Zuneigung zu Subprior Herluin verspürte, obwohl er dessen Zähigkeit, solch eine lange Fußreise zu unternehmen, und auch seine Entschlossenheit, Ramseys geplünderte Truhen wieder aufzufüllen, um das zerstörte Kloster wieder aufzubauen, nur bewundern konnte. Sie waren schon ein seltsames Gespann, diese beiden umherziehenden Brüder aus den Fens. Der Subprior war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, dessen Leib wohl einmal üppig, vielleicht allzu üppig gewesen, jetzt aber zusammengefallen und ein wenig schlaff geworden war. Gewiß war ihm nichts vorzuwerfen; er schien den Mangel geteilt zu haben, den die unglücklichen Bewohner der Fens während des kargen Jahres der Unterdrückung hatten erleiden müssen. Sein unbedeckter Kopf ließ eine blasse Tonsur erkennen, die von angegrauten, eher braunen als weißen Haaren umgeben war; darunter ein längliches Gesicht mit strengen Zügen, tiefliegenden und ernsten Augen sowie einem schmalen Mund, der fast lippenlos wirkte, als wäre ihm das Lächeln völlig fremd. Es hatte, so schätzte Cadfael, etwa fünfzig Jahre bedurft, um solche bedrohlichen Gesichtszüge auszubilden – fünfzig Jahre der Kasteiung und Entsagung.
    Kein besonders angenehmer Begleiter auf einer langen Reise, wenn der erste Eindruck nicht täuschte. Bruder Tutilo, der bescheiden ein Stück hinter seinem Vorgesetzten stand und jedem seiner Worte mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte, sah aus, als zählte er zwanzig Lenze, vielleicht sogar noch weniger; ein zart gebauter junger Mann, auffällig geschmeidig und anmutig in seinen Bewegungen, ein Musterbeispiel disziplinierter Beherrschung. Sein Kopf reichte gerade bis zu Herluins Schulter und war mit einer Fülle blonder Locken bedeckt, die während der langen Reisezeit kräftig gewachsen waren. Ohne Zweifel würden diese Locken, sobald er wieder in Ramsey war, radikal gestutzt werden. Jetzt aber hätten sie einem gemalten Engel in einer Missale wohl angestanden, obwohl das Gesicht unter dieser Aureole – trotz seines Ausdrucks strahlender Hingabe – wenig engelgleich war.
    Auf den ersten Blick wirkte er wie ein reizendes Unschuldslamm, so offenherzig mit seinen weitgeöffneten Augen und seinen mädchenhaft rosigen Wangen. Bei genauerem Hinsehen jedoch wurde man gewahr, daß sich hinter diesem kindlichen Anstrich ein ovales Gesicht von klassischem Gleichmaß und scharfen, ausgeprägten Formen verbarg. Ja, diese rosengleiche Färbung auf den Marmorzügen wirkte fast wie eine Tarnung, hinter der eine gewinnende, aber doch leicht gefährliche Kreatur lauerte.
    Tutilo – ein seltsamer Name für einen jungen Engländer; er hatte nichts von einem Normannen oder Kelten an sich.
    Vielleicht hatte man diesen Namen bei seinem Eintritt ins Noviziat für ihn gewählt. Er wollte Bruder Anselm fragen, was der Name bedeute und wo die ehrwürdigen Brüder von Ramsey ihn gefunden haben mochten. Cadfael wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zwischen Gastgeber und Gästen zu.
    »Da Ihr nun schon in dieser Gegend seid«, ließ sich der Abt vernehmen, »habt Ihr vielleicht den Wunsch, weitere Benediktinerklöster zu besuchen. Ich versorge Euch mit Pferden, wenn ich Euch damit dienen kann. Die Jahreszeit ist ungünstig für eine Fußwanderung. Die Flüsse führen Hochwasser, der eine oder andere wird unpassierbar sein; da ist es besser, Ihr seid zu Pferd unterwegs. Wir werden uns beeilen, Eure weiteren Vorhaben nach allen Kräften zu unterstützen, und zunächst mit Vater Boniface über die Nutzung der Kirche reden, denn er ist für die Seelsorge zuständig. Auch mit Hugh Beringar, dem Sheriff sowie dem Bürgermeister und dem Gildenmeister der Stadt müssen wir wegen Eurer Versammlung am Marktkreuz von Shrewsbury verhandeln. Wenn es noch etwas gibt, womit wir Euch dienlich sein können, braucht Ihr es nur zu
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