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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin
Autoren: Eduardo Mendoza
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Lage geraten.»
    Meine Warnung brachte ihn derart zum Lachen, dass er keinen ganzen Satz mehr herauskriegte.
    «Hohoho», sagte er schließlich und hielt sich die Leisten, um sich keinen Bruch zuzuziehen. «Das war ein guter Trick, deiner würdig, aber unnütz. Wie ich schon zu Anfang gesagt habe, ich habe alles vorhergesehen, auch diese Möglichkeit, und eine Pistole mit Schalldämpfer mitgebracht. Hat mich eine schöne Stange Geld gekostet.»
    Erneut griff er in die Jackettinnentasche, nestelte und zog die Hand leer wieder heraus. Er griff in eine andere Tasche, dann in eine weitere und so fort, bis er sämtliche Jackett- und Hosentaschen abgeklappert hatte, und dann tastete er immer noch, falls irgendwo eine Naht aufgegangen und die Waffe zwischen Stoff und Futter gerutscht wäre. Schließlich gab er es auf und rief laut, aber wie zu sich selbst:
    «Verdammte Scheiße, ich habe die Pistole zu Hause gelassen!»
    Ein gespanntes, fast gewalttätiges Schweigen trat ein: Weder Emilia noch mir fiel irgendwas ein, was wir hätten tun oder sagen können, um ihm seine offensichtliche Frustration zu ersparen. Seine schwarzen, von langen Wimpern gesäumten Augen füllten sich mit Tränen. Einige Sekunden lang bewegte er keinen Muskel. Die Tränen kullerten ihm über die Wangen, und salzig blieben die Tropfen am Unterkiefer hängen, bis sie von weiteren Tropfen fortgeschoben wurden, und dann fielen sie auf das Revers, wo sie einen kleinen schwärzlichen Kreis bildeten.
    «Das ist das Ende», stammelte er, «oder, noch schlimmer, der Anfang eines langen Weges zum Ende. Man könnte es die Lebensdämmerung nennen.»
    Mir schnürte sich das Herz zusammen, als ich ihn so geschlagen sah, aber ich konnte nichts tun, und Emilia musste es genauso gehen, ihrem Ausdruck und dem leichten Zittern im Gesicht nach zu urteilen. Schließlich brachte sie in einem Ton, der freundschaftlich sein sollte, aber mütterlich war, heraus:
    «Das muss der Stress der letzten Tage gewesen sein.»
    Romulus schaute sie an, schloss halb die Augen, als bemühte er sich, den Menschen zu erkennen, der gerade das Wort an ihn gerichtet hatte, schüttelte den Kopf, trocknete sich mit dem Ärmel das Gesicht, setzte sich steif wie eine schlecht geölte Maschine in Bewegung und verließ die Wohnung, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen.

17
ES BLEIBT ALLES BEIM ALTEN
    Ich weiß nicht, wie lange Emilia und ich in ihrem heruntergekommenen Wohnzimmer sitzenblieben, wortlos und jeder auf seine Weise damit befasst, in seinem Leben die pathetische Szene einzuordnen, deren unfreiwillige Zeugen wir eben geworden waren. Einmal mehr brach sie das Schweigen.
    «Glaubst du, er verliert das Gedächtnis?», sagte sie.
    Die Frage barg eine implizite Bitte, und ich konnte nicht umhin, auf sie zu antworten.
    «Wie alle», sagte ich, um die Sache herunterzuspielen. «Diesmal würde ich den Vorfall nicht neuronaler Insuffizienz zuschreiben, sondern dem, was Psychiater und ihre Patienten eine Freudsche Fehlleistung nennen, dank der ihm, als ihm das Über-Ich die Zeugen des mutmaßlichen Delikts zu beseitigen befahl, das Unterbewusstsein Stolpersteine in den Weg legte, so dass er dir keinen Schaden zufügen konnte.»
    Mit einem erleichterten Seufzer billigte sie die wissenschaftliche Erklärung und fügte hinzu:
    «Bin ich denn tatsächlich an allem schuld, was geschehen ist?»
    «Es steht mir nicht zu, das Verhalten anderer zu beurteilen. Du hast sicher in gutem Glauben gehandelt. Aber in einigem bist du zu weit gegangen, Emilia.»
    Sie nickte demütig, aber sogleich machte sie eine Handbewegung, wie um ein Insekt zu verscheuchen, und rief:
    «Ich wollte einfach nicht mit ansehen, wie er tollpatschig, schrullig, kahl und dickbäuchig würde. Und schon gar nicht mochte ich ihn mir als Alterchen in Hausmantel und Pantoffeln vorstellen, in jener geschmacklosen Wohnung, in Gesellschaft einer Frau, die mit dem Gehaben einer Sexbombe durch die Welt zieht, wo sie doch bloß ein hundsgewöhnliches Heimchen am Herd ist. Wenn er schon nicht der öffentliche Feind Nummer eins werden konnte, so hätte ich ihm doch wenigstens ein rühmliches Ende gewünscht, als er noch gut aussah.»
    In ihren Worten und ihrer Haltung glaubte ich das Parfüm der Eifersucht und in ihrer Entschlossenheit mehr Leidenschaft als aufrichtige Absichten wahrzunehmen, aber wieder verbot ich mir den Mund; wenn das, was sie für Romulus empfand, mehr war als die Komplizenschaft, die beide zur Schau stellten, war es
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