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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin
Autoren: Eduardo Mendoza
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ungeachtet der Schrecken, die er meinetwegen erlebt hatte, und abgesehen von einigen Ausgaben, sich an das gemeinsam erlebte Abenteuer liebevoll, wenn nicht mit Sehnsucht und sogar dem Wunsch erinnerte, wieder in etwas Ähnliches hineinzugeraten. Ich bedankte mich herzlich für sein Kommen, seinen guten Vorsatz und seine freundlichen Worte und bedauerte, ihn nicht so bewirten zu können, wie ich es gern getan hätte, denn im Restaurant war ich dauernder Überwachung ausgesetzt, seit man mich dabei ertappt hatte, wie ich eine Kiste vom Lastwagen öffnete und mehrere Frühlingsrollen vertilgte. Wir unterhielten uns eine Weile, und schließlich erzählte er mir errötend und stotternd, hinter dem Rücken ihres Mannes habe er die zwar keusche, aber nichtsdestotrotz lohnende Beziehung zu Lavinia wiederaufgenommen. Dank diesem ätherischen Kontakt hatte er erfahren, dass der Name von Romulus dem Schönen nicht in den Polizeiprotokollen zum Attentat aufgetaucht war, sei es, dass die Unterinspektorin Arrozales keine belastenden Beweise für seine Mittäterschaft hatte, sei es, dass ihre Vorgesetzten die Beteiligung eines spanischen Staatsbürgers an so verwerflichen Taten lieber nicht publik machen wollten. Infolgedessen hatte es, da Romulus der Schöne der Gerichtsbarkeit des Sonderkorps für Staatssicherheit unterstand, Kompetenzstreitigkeiten mit der normalen Justiz gegeben, so dass die Verurteilung für den Banküberfall durch das Berufungsgericht vom Obersten Gerichtshof oder einem anderen, ebenso gestrengen Organ annulliert worden war. Und um zu verhindern, dass er wieder straffällig wurde, war ihm eine lebenslange steuerfreie Pension zugesprochen worden. Das war eine gute Nachricht, und sowohl der Swami wie ich gaben lautstark unserer Freude Ausdruck.
    Letzterer zog seinen Besuch und sein Getratsche noch etwas in die Länge. Beim Abschied fragte er mich vertraulich, ob ich vorhätte, meine Tage als Küchenjunge in der Goldenen Miesmuschel zu beenden, worauf ich antwortete, so wie die Dinge derzeit lägen, dürfe man eine feste, ebenso regelmäßig wie niedrig bezahlte Arbeit nicht verschmähen. Damit sagten wir uns auf Wiedersehen, nicht ohne unserer Absicht Ausdruck gegeben zu haben, bald gemeinsam ins Kino und danach etwas trinken zu gehen. Er ist nicht mehr gekommen. Vielleicht hat ihn meine Antwort auf seine letzte Frage enttäuscht. Vielleicht hatte er mich unbewusst aufgesucht, um sich von mir in neue Schwierigkeiten bringen oder sonst einen Unsinn vorschlagen zu lassen, wie gemeinsam nach Alaska auszuwandern, um Gold zu suchen oder Eisbären zu jagen, und so nicht mehr den ganzen Tag dummes Zeug schwatzen zu müssen. Aber ich hatte beschlossen, mich nicht mehr von der Stelle zu rühren, weder damals noch sonst je, unter keinen Umständen. Denn ich vertraute darauf, dass eines Tages, weder heute noch morgen, weder in einem Jahr noch in zwei, aber eines Tages Quesito über das Vorgefallene nachdenken, die Dinge mit anderen Augen sehen und ihre Wut sich verflüchtigen würde, und wenn sie dann kommen und mir das oder etwas anderes sagen wollte, musste sie unbedingt wissen, wo sie mich finden könnte.

Über den Autor/Übersetzer
    Eduardo Mendoza
    Eduardo Mendoza, geboren 1943 in Barcelona, ist einer der wichtigsten spanischsprachigen Autoren. Seine Romane Die Wahrheit über den Fall Savolta und Die Stadt der Wunder gelten als Klassiker, für Katzenkrieg (Nagel & Kimche 2012) erhielt er den höchstdotierten spanischen Literaturpreis, den Premio Planeta.
    Peter Schwaar
    Peter Schwaar, geboren 1947, studierte Germanistik und Musikwissenschaft, arbeitete als Journalist und übersetzt Werke u.a. von Tomás Eloy Martínez, Carlos Ruiz Zafón, Javier Tomeo, Zoé Valdés und Adolfo Bioy Casares.
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