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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
Autoren: Charlotte Link
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töten. Er liebte mich seit mehr als zwanzig Jahren. Unerfüllt, eifersüchtig, schmerzhaft. Der Hass, den er am Ende gegen mich hegte, war mit seiner Liebe noch zu eng verwandt. Ich … ich glaube, er tötete sich, um mich nicht zu töten.«
    Sie war überzeugt, dass es so gewesen war. Sie hatte es in seinen Augen gelesen, kurz bevor er starb. Auf eine kranke und wahnsinnige Art liebte er sie in diesem Moment um nichts weniger als an dem Tag, an dem er sie das erste Mal gesehen hatte, und er hatte im Bruchteil von Sekunden die Entscheidung getroffen, dass unter diesen Umständen er es sein würde, der die Welt verließ, und nicht sie.
    Die beiden Frauen schwiegen eine Weile, lauschten auf das Rauschen der Wellen tief unter ihnen. Es war jetzt ganz dunkel geworden, aber die Nacht war sehr warm, die Luft weich und streichelnd.
    »Er war die ganze Zeit hier«, sagte Inga schließlich, »immer. Er war immer um uns.«
    »Er hat mir hier eine Szene gemacht und ist abgerauscht, und ich habe keinen Moment lang daran gezweifelt, dass er nach Deutschland zurückgefahren ist. Stattdessen hat er sich unter falschem Namen in einer Pension ganz in der Nähe eingemietet. Aber nun ging zum ersten Mal etwas schief: Marius kehrte nicht von eurem Segelausflug zurück. Du kamst allein, und alles deutete darauf hin, dass Marius in dem Unwetter ertrunken war. Maximilian war im Hafen, er bekam alles mit. Es muss ihn in ziemliche Verzweiflung gestürzt haben. Einem verschollenen Marius einen Mord in die Schuhe zu schieben hätte eine Menge Probleme nach sich ziehen können. Zudem konnte er ja nicht sicher sein, dass Marius wirklich tot war. Er konnte wieder aufkreuzen, und falls er in der Zeit seiner Abwesenheit beispielsweise in einem Krankenhaus
gewesen oder von Fischern geborgen worden wäre, dann hätte es sogar noch Zeugen dafür gegeben, dass er nicht gleichzeitig in Le Brusc hätte sein können. Maximilian musste warten und hoffen, dass Marius doch noch auftauchte. «
    »Er wusste, dass Marius ein hervorragender Wassersportler ist. Erfahren genug, um niemals ohne Schwimmweste zu segeln. Es gab wohl durchaus Hoffnung, dass er noch am Leben war.«
    »Ich denke aber, die Sache mit dem Schiff war der Einstieg dafür, dass Maximilians Nerven nachließen und ihm dann auch später der Fehler unterlief, völlig unbedacht auf Marius zu schießen«, sagte Rebecca, »und übrigens auch der Fehler, sein eingeschaltetes Handy bei dir im Auto liegen zu lassen. Er saß hier eine Woche lang fest und konnte seinen Plan nicht vollenden. Und das nach all der Mühe, die er auf sich genommen hatte. Er hatte sich durch das Verhältnis mit meiner einstigen Mitarbeiterin gequält, um an brauchbare Informationen über mich zu kommen. Es dürfte danach nicht einfach gewesen sein, Marius, der seit eurer Heirat einen anderen Namen trug, aufzuspüren. Er musste sein Vertrauen gewinnen, ihm das Treffen mit mir schmackhaft machen, die Geschichte mit dem Autostopp einfädeln. Er schrieb Dutzende von Drohbriefen, ermordete das alte Ehepaar in Deutschland. Er hatte endlose Vorarbeit geleistet, emsig und geduldig, und nun hing er in diesem südfranzösischen Ferienort fest und konnte nicht tun, was sein eigentliches Ziel von Anfang an gewesen war: Er konnte mich nicht töten. Er hatte keine Ahnung, ob Marius je wieder auftauchen würde. Ich kann mir vorstellen, er muss in seinem Pensionszimmer manchmal wie ein Tiger in Gefangenschaft auf und ab gelaufen sein. Ganz sicher ist er mit jedem Tag dünnhäutiger und entnervter geworden.«

    »Weißt du, ob er schließlich mitbekommen hatte, dass Marius wieder da war?«, fragte Inga. »Oder ob er zufällig in jener Nacht auf dem Weg zu dir war?«
    Rebecca zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Davon hat er nichts gesagt. Vielleicht hat er es einfach nicht mehr ausgehalten, wollte die Sache jetzt so oder so zu Ende bringen. Am Abend hatte ja Marius’ Handy geklingelt. Marius sagte, niemand habe sich gemeldet. Ein Kontrollanruf von Maximilian? Der ein Lebenszeichen von Marius brauchte? Er machte sich auf den Weg hierher, und dann bist du ihm über den Weg gelaufen. Oder er hatte Marius vorher schon beobachtet. Marius schwirrte ja schließlich auch schon eine ganze Weile unbemerkt um uns herum. Vielleicht hat Maximilian ihn gesehen. Ein eigenartiges Gefühl, findest du nicht? Tagelang werden wir von zwei Männern belauert, aber wir merken überhaupt nichts.«
    »Wir waren sehr aufeinander konzentriert«, sagte Inga.
    »Ja«,
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