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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
Autoren: Charlotte Link
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erwiderte Rebecca leise, »das waren wir wohl.«
    Die Tage nach ihrem geplanten Selbstmord. Würde sie Inga je davon erzählen? Später vielleicht, viel später. Es war eine Ironie, dass ausgerechnet Maximilian sie an der Ausführung ihres Vorhabens gehindert hatte. Ein Zufall – oder ein völlig verrückter Schachzug des Schicksals? Ohne Maximilian, ohne den Mann, der seit über einem Jahr ihre Ermordung geplant und auf perfideste Art eingefädelt hatte, wäre sie längst tot.
    Sie stand auf. »Ich gehe schlafen«, sagte sie übergangslos, »ich bin entsetzlich müde. Immer noch. Ich habe das Gefühl, ich könnte Jahre schlafen und fände immer noch keine Kraft.«
    »Ich bleibe noch eine Weile hier draußen«, sagte Inga. Seit den schrecklichen Ereignissen hielt sie sich in Rebeccas Haus nicht mehr gern auf. Sie hatte Albträume, wenn sie schlief,
und Beklemmungsgefühle in den vier Wänden. Sie sehnte sich nach Hause, aber sie musste warten, bis Marius das Krankenhaus verlassen durfte. Sie wäre gern in ein Hotel gezogen, aber sie mochte Rebecca nicht allein lassen.
    »Wirst du hier wohnen bleiben?«, fragte sie. »Nach allem, was war?«
    Rebecca zögerte. »Ich weiß es nicht.« Sie wandte sich zum Gehen. »Wirst du bei Marius bleiben?«, fragte sie dann. »Nach allem, was war?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Inga.

Freitag, 6. August
    »Also, du bleibst dabei?«, fragte Wolf schon zum dritten Mal an diesem Morgen. »Du willst wirklich nicht mitkommen? «
    Sie standen in der Abflughalle des Flughafens. Das Gepäck war aufgegeben, Wolf hielt die Bordkarten in der Hand. Die Kinder jagten einander um einen Zeitungsstand herum. Sie hatten auf die Nachricht, ihre Mutter werde sie nicht in die Türkei begleiten, gelassen reagiert. Ihre ganze Sorge war gewesen, auch der Vater könne noch einen Rückzieher machen und damit die Badeferien am Mittelmeer platzen lassen. Aber nachdem sie sich nun am hoffnungslos überfüllten, chaotischen Flughafen befanden, auf dem es von reisefreudigen deutschen Urlaubern nur so wimmelte, waren sie ihre Sorge los und bester Laune.
    Hoffentlich kann ich verhindern, dass sie irgendwann genauso gefühlskalt werden wie ihr Vater, dachte Karen.
    Sie hielt ihren Parkschein so fest umklammert wie Wolf seine Bordkarten. Das Ticket stellte ihren Zugriff auf ihr Auto sicher, ihre Chance, so rasch wie möglich dem grauenhaften Menschenandrang auf dem Flughafen zu entkommen. In diesen Minuten war es das Symbol ihrer Abgrenzung von Wolf.
    »Ich habe doch jetzt auch gar keinen Koffer dabei, Wolf«, sagte sie etwas genervt. Weshalb fragte er immer wieder? »Und Kenzo wartet zu Hause. Niemand ist bestellt, sich um Haus und Garten zu kümmern …«
    »Ich weiß«, sagte Wolf.

    »Warum fragst du dann?«
    »Weil …« Er zögerte. »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich, »vielleicht, weil ich es einfach nicht richtig finde, was du tust. Dass du dich plötzlich von uns abkoppelst. In ein eigenes Zimmer ziehst, uns allein in die Ferien fliegen lässt … Es ist nicht gerade familiär, wie du dich verhältst.«
    Die Frage, dachte Karen, ist immer, was Gespräche bringen. Früher war ich überzeugt, dass sie der Schlüssel sind. Zu einer guten Partnerschaft, einer funktionierenden Beziehung. Dass sie helfen, Missverständnisse zu vermeiden, Gefühle zu klären, Klarheit in scheinbar verfahrene Situationen zu bringen. Vielleicht stimmt das auch. Aber irgendwann nutzen sie nichts mehr. Und dann muss man sich von ihnen verabschieden.
    Noch vor wenigen Wochen hätte sie ihm geantwortet: »Ist es denn familiär, wie du dich verhältst?« Und dann hätte der Schlagabtausch begonnen, Wolf hätte sich in redliche Entrüstung hineingeredet, und sie wäre in Tränen ausgebrochen, und am Ende hätte sie sich elend und klein gefühlt, und er sich groß und stark. So, wie es immer gewesen war.
    Jetzt aber ging sie auf seine Feststellung nicht weiter ein.
    »Es wird Zeit«, sagte sie. »Ihr müsst an euer Gate. Und ich will nach Hause.«
    Wolf schien noch etwas sagen zu wollen, aber er verschluckte die Bemerkung. Aus Stolz vielleicht, oder weil ihm klar war, dass es nicht der Ort und nicht der Moment war, etwas zu klären.
    »Na ja, also dann«, sagte er unbeholfen, »in zwei Wochen sind wir ja wieder da.«
    »Ich hole euch ab«, versprach Karen. Sie wich seinem zögernd vorgebrachten Ansinnen einer Umarmung aus und ging auf den Zeitungsstand zu, um sich von ihren Kindern zu verabschieden.

    Daheim tat Kenzo wie immer
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