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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
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bestimmten Dingen große Bedeutung beimisst. Er hat nicht die Kraft eines Raubtiers, und das Mädchen hat nicht die Unschuld einer Gazelle. Es handelt sich lediglich um einen Vertrag, der vorsieht, dass Dinge gegeben und Dinge in Empfang genommen werden. Für manche Menschen ist die Erwartung des Akts wichtiger als der Akt selbst, und hier handelt es sich um einen solchen Fall. Aus anderen Gründen und in anderer Weise gilt das auch für mich.
    Eine Ampel springt von Gelb auf Rot, und ich bleibe stehen und stecke mir eine Zigarette an. Während wir Bella Vita gespielt haben, ist für den Rest der Welt der Sonntag in einen Montag übergegangen. Um mich herum verheddert sich der Verkehr zu einem Knäuel, das innerhalb der nächsten halben Stunde unentwirrbar geworden sein wird. Bis dahin werde ich mich allerdings schon daheim verkrochen haben. Es hat keinerlei Reiz, ein Nachttier zu sein, noch ist es in irgendeiner Weise glanzvoll. Es scheint nur manchmal so, denn die Dunkelheit vermengt alles, Wahrheiten und bloße Überzeugungen. Dokumentarfilme zeigen uns immer noch Löwen beim Festmahl, während sich rudelweise Hyänen in ihrer Nähe versammeln, um sich später um die Reste zu balgen. In Wahrheit haben oft die Hyänen die Beute gerissen, während der Löwe dann einfach erscheint, das Gesetz des Königs geltend macht und sich mühelos das Beste heraussucht, um jenen, die die Drecksarbeit erledigt haben, nur die Reste zu überlassen. Durch eine eilig gezückte Linse gefilmt, dringt das Bild gemäß einem physikalischen Gesetz spiegelverkehrt in unsere Realität ein, so dass plötzlich nicht mehr klar ist, wer Löwe ist und wer Hyäne.
    Neben mir sitzt ein Typ in einem nagelneuen Mercedes und gähnt. Er hat keine Wahl.
    Ich versuche zu verstehen, welche Art von Tier er ist. Sein Gesicht ist nicht von einer schlaflosen Nacht zerstört, sondern sucht noch nach seinem Ausdruck, der bislang nur vom immer zu früh klingelnden Wecker zeugt. Ein anonymer Typ von der Sorte ›Weder noch‹. Weder jung noch alt, weder schön noch hässlich, weder arm noch reich. Und so weiter. Vielleicht hat er Frau und Kinder und leistet sich den Mercedes, weil er denkt, dass das Leben ihm den schuldig ist, ebenso wie das Mädchen, das er sich gelegentlich für ein paar Stunden nimmt, eines mit Niveau, so wie ich sie im Angebot habe. Er muss einer von den kleinen Unternehmern sein, deren Fabrikhallen sich wie eine Schlange an der Straße nach Vigevano entlangziehen. Vielleicht werden Aluminiumbleche bei ihm hergestellt oder Schuhe, die er auf zwei Etagen zu Schleuderpreisen verkauft.
    Die Ampel springt auf Grün, und im selben Moment ertönt eine Hupe. Das ist so vorhersehbar, dass ich nicht einmal ein ›Scher dich zum Teufel‹ daran verschwende. Der Himmel ist jetzt nicht mehr farblos, sondern blau, und mit der Sonne sind auch die Schatten hervorgekommen. Andere müssen verschwinden. Das ist das Gesetz der Stadt und ihres alltäglichen Raunens, das je nach Uhrzeit an- oder abschwillt. Wer es nicht erträgt, muss sich demnächst die Ohren zustopfen und den Kopf unters Kissen stecken.
    Auf Höhe der Metro halte ich mich rechts, fahre ein Stück über die Abbiegespur und erreiche das Quartiere Tessera, die Siedlung, in der ich wohne. Die fünfstöckigen Häuser haben einen quadratischen Grundriss, sind mit braunen Kacheln verkleidet und werden von einem Mäuerchen eingefasst, um den Eindruck von Ordnung und Zugehörigkeit zu vermitteln. Zwischen den Gebäuden befinden sich kümmerliche Rasenflächen, auf denen vereinzelte Kiefern und Ahorne eine Art Begrünung darstellen sollen. Die Gebäude gehören der Allianz-RAS und sind Teil der Rücklagen in Form von Immobilien, wie sie per Gesetz alle Versicherungen bilden müssen. Sobald der Verfall der Gebäude einsetzen und ihr Unterhalt sich ungünstig in der Bilanz niederschlagen wird, wird man sie verkaufen. Bald schon wird man also sehen, wer hier das Zeug zum Eigentümer hat und wer sein Leben lang Miete zahlt und zum Weiterziehen gezwungen sein wird.
    Die Wohnungen werden größtenteils von Pendlern bewohnt, Männern in Kaufhausanzügen und Hemden, deren Kragen immer ein wenig zu groß oder ein wenig zu klein ist. Morgens lassen sie eine Frau zurück, die sie am Abend um einen Tag gealtert wieder vorfinden, ohne zu wissen oder sich darum zu bekümmern, was sie hat altern lassen. Ich muss sagen, dass die ein oder andere Dame, der ich hier begegnet bin, mich durchaus mit Interesse betrachtet und
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