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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
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es für mich als Kind keine besonderen Liebkosungen gegeben, weil ich als Knabe mit einer außergewöhnlichen Behinderung geboren worden wäre und in den kommenden Jahren üblen Scherzen ausgesetzt sein würde. Und später auch keine tragischen Bekenntnisse eines Jugendlichen, der sich mit gesenktem Kopf sämtliche Einzelheiten seiner Schuhspitzen einzuprägen scheint.
    Als ich auf die Welt gekommen war, hatte alles an seinem Platz gesessen. Sogar fast zu perfekt, würde ich sagen, im Lichte der späteren Ereignisse betrachtet. Bis zu einem gewissen Tag nämlich war dieses ›Alles an seinem Platz‹ ständiger Quell diverser Misslichkeiten für abenteuerlustige und leichtfertige Damen und Mädchen gewesen, die nichts anderes im Sinn hatten. Ihr Problem, hatte ich stets gedacht.
    Bis das Problem einer dieser Frauen zu meinem eigenen wurde.
    Das Wie und das Wann und das Warum werden niemals Untersuchungsgegenstand irgendwelcher Historiker sein. Es lief mir einfach nur im falschen Moment die falsche Person über den Weg. Ich bin ein geständiger Täter, falls das etwas zur Sache tut. Ein freiwilliges Geständnis ohne jedes Lamento. Die Ordnung der Dinge im Leben eines Menschen ist, wie sie ist, und damit basta. Manchmal gibt es keine Möglichkeiten oder Motive, sich anders zu verhalten. Oder falls es sie gibt, sind sie, wie in meinem Fall, schwer zu erkennen. Mittlerweile wäre selbst der schlichte Vorschlag einer Erklärung nichts als eine weitere Nadel in einer Voodoo-Puppe mit meinem Gesicht.
    In einer jener Nächte, in denen die Zeit ihre Triumphe feiert, gab es jemanden, der mich mit einer scharfen Rasierklinge und einer gehörigen Portion Wut und Sadismus im Bauch in den gegenwärtigen Zustand versetzt hat. Dann ließ er mich am Boden liegen. Das Blut durchweichte meine Hose, und meine Stimme wurde immer mehr zu einem Hauch, je mehr sich das Blut in einen Schrei verwandelte. Ich wurde aus dem Theater gejagt und musste gezwungenermaßen von der Bühne in den Zuschauerraum wechseln. In die letzte Reihe, könnte man sagen. Und der Schmerz des Schnittes ist nichts gewesen im Vergleich mit dem Schmerz des Applauses.
    Bis dahin hatte ich aus Bequemlichkeit von Liebe geredet und zu meiner persönlichen Befriedigung Sex gehabt. Plötzlich fand ich mich in einer Situation wieder, in der ich nicht mehr gezwungen war, Liebe zu versprechen, weil ich nicht mehr in der Lage war, die Gegenleistung in Empfang zu nehmen. Genau, den Sex.
    Mit dem Körper eines Mannes konnte ich nichts anfangen, und dem Körper einer Frau hatte ich nichts mehr zu bieten.
    Überraschenderweise ist damit Ruhe eingetreten. Keine Aufstiege mehr, keine Abstiege, nur noch flaches Land. Kein ruhiges und kein aufgewühltes Meer, nur noch der Hohn der Flaute, die keine Segel bläht und schüttelt. Da es keinen Grund zum Rennen mehr gab, hatte ich nun Zeit, mich umzuschauen und zu sehen, wie sich die Welt tatsächlich dreht.
    Liebe und Sex.
    Lügen und Illusionen.
    Den einen Moment das eine, den anderen das andere. Und gleich wieder fort auf der Suche nach dem nächsten Hafen, der nächsten Adresse, die sich vorübergehend im Geiste festgesetzt haben. Der Nase nach, der Witterung nach, die Hände vor sich ausgestreckt. Blind, taub, stumm, einzig mit Hilfe von Tast- und Geruchssinn, dieser letzten Bastion des Instinkts.
    Als Sehkraft, Gehör und Sprache wiederhergestellt waren, habe ich nachgedacht und verstanden.
    Bald darauf habe ich mich abgefunden.
    Und im nächsten Moment habe ich schon gehandelt.
    Seither wurde Blut vergossen, dieser Rohstoff, der in keinem Teil der Welt einen hohen Wert hat. Menschen sind gestorben, die vielleicht noch weniger wert waren. Ein paar der Verantwortlichen haben bezahlt, andere sind ungeschoren davongekommen. Wie alle Geschichten, die mit dem Tod enden, hatte auch diese einen unbedeutenden Anfang.
    Alles begann, als ich begriff, dass es Frauen gibt, die bereitwillig ihren Körper hergeben, um an Geld heranzukommen, und dass es Männer gibt, die bereitwillig ihr Geld hergeben, um an diese Körper heranzukommen.
    Es braucht Gier oder Groll oder Zynismus, um an diesem Austausch teilzuhaben.
    Ich besaß sie alle drei.
     

 
April 1978
     
     

 
Kapitel 1
     
    Als Daytona und ich ins Freie treten, dämmert es.
    Zwei Schritte voneinander entfernt bleiben wir auf dem Bürgersteig stehen und atmen die frische Morgenluft ein, die selbst in einer Großstadt den Eindruck erweckt, rein zu sein. Tatsächlich hat Mailand einen
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