Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
Vom Netzwerk:
schlechten Atem, so wie vermutlich wir selbst im Moment. Rein ist nur die Einbildung, aber auch davon lebt der Mensch.
    Daytona breitet die Arme aus, gähnt und streckt sich.
    Ich vermeine ein Knirschen aus der Rückengegend zu hören, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein. Sein Gesicht trägt die Spuren einer Nacht, in der er Poker gespielt und Kokain geraucht hat. Er hat voll zugelangt, wie die Muskelzuckungen am Kiefer verraten. Die Haarsträhnen, die er mit viel Geschick und noch mehr Lack von beiden Seiten über seine Glatze gekämmt hat, sind ein wenig verrutscht und sitzen wie eine Fell-Baskenmütze seitlich an seinem Kopf. Die Haut ist bleich, und um die Augen herum liegt ein dunkler Schatten. Mit seinem Schnurrbart hat er etwas von diesen neurotischen Fieslingen aus den Zeichentrickfilmen, die immer unabsichtlich komisch wirken.
    Jetzt hält er sich die Hand vors Gesicht, schiebt die Manschette mit den Schmutzrändern der durchwachten Nacht beiseite und schaut auf die Uhr.
    »Gütiger Gott, es ist schon sechs.«
    Daytona sagt das, als wäre es ein Problem. Als wäre es für ihn etwas Besonderes, um diese Uhrzeit noch wach zu sein. Als gäbe es außer ihm und der Polizei irgendjemanden, dem er Rechenschaft über sein Leben ablegen müsste. Er lässt den Arm wieder sinken, und die Uhr verschwindet. Der Uhr verdankt er seinen Spitznamen. Seit vielen Jahren schon trägt er eine goldene Rolex Daytona Paul Newman.
    Wenn er sie trägt.
    Anhand dieses Details kann man ziemlich treffsicher seine guten Zeiten von den mageren unterscheiden. Es reicht, auf sein linkes Handgelenk zu achten. Fehlt die Uhr, liegt sie als Pfand beim Monte di Pietà. Und wenn sie dort liegt, heißt das, dass er sich nach Kräften bemüht, sie wieder auszulösen. Ohne allzu pingelig zu sein, was Mittel und Wege betrifft.
    Jetzt ist die Uhr allerdings da, und er hat eine zügellose Nacht und eine glückliche Partie Poker hinter sich. Nach der Schließung hatten wir uns in den Salon des Ascot Club begeben, einen Raum neben der Bar. Er, Sergio Fanti, der Godie, Matteo Sana – genannt Sanantonio – und ich. Bonverde, der Besitzer, ist mit seiner Frau sofort nach dem letzten Besucher gegangen und hat es Giuliano, dem Direktor, überlassen, das Lokal abzusperren. Ohne sich darum zu bekümmern, was nach seinem Weggang passieren würde. Der Geruch des Menschengetümmels hing noch im Raum, als wir uns niederließen, außerdem der Heugeruch der Feuchtigkeit, den ein seit Jahren nicht mehr gelüfteter Teppichboden verströmt. Sofort kamen Karten zum Vorschein, Zigaretten und etliche Meter Kokain.
    Die Stunden, die Zigaretten und die Spiele vergingen, und als vom Kokain kein Stäubchen mehr übrig war, hatte es Daytona zum unangefochtenen Helden des Spiels gebracht. Der Coup bestand in einem Neuner-Vierling, der wie ein Pfeil auf den Tisch herabsauste, um ein Full House und einen Flush auszustechen. Und Daytona den Pot des Abends zu bescheren.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, dreht er den Kopf zu mir.
    »Was hatte ich für ein Schwein heute Abend. Das war aber auch nötig.«
    Ich muss lächeln, obwohl ich mich zu beherrschen versuche und den Blick schnell dem noch zaghaften Morgenverkehr zuwende. Nur wenige Autos schieben sich träge die Via Monte Rosa entlang. Im Innern sitzen erschrockene Gespenster, die heimkehren, und Gespenster, die sich für schreckenerregend halten, auf dem Weg zu ihrer alltäglichen Verdammnis. Mir als Beobachter kommt es vor, als hätte Daytona der Glücksgöttin einen Namen und eine Adresse genannt, und zwar unter Zuhilfenahme von nicht ganz astreinen Tricks. Zumindest in meinen Augen. Geht mich aber nichts an. Ich spiele nicht, also gewinne und verliere ich auch nicht. Ich war schon immer der Zuschauer, der beobachtet und sich ansonsten um seine eigenen Angelegenheiten kümmert. Aus dieser Lebensregel ist mit der Zeit eine liebe Gewohnheit geworden. So lebt es sich besser, und in gewissen Kreisen überlebt man überhaupt nur so.
    Ich schaue zu ihm hinüber.
    »Verdammtes Schwein, in der Tat. Wie viel hast du gewonnen?«
    Daytona mustert mich und sucht nach Spuren von Ironie in meinem Gesicht. Er wird nicht fündig oder möchte nicht fündig werden, steckt dann die Hand in die Tasche und belässt sie dort, als könnte er sein Geld durch bloße Berührung zählen. Ich meine, sie vor mir zu sehen, diese fetten, behaarten Finger, wie sie die Scheine mit einer Grobheit durchblättern, mit der man für gewöhnlich nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher