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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
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mit den Augen ein unmissverständliches SOS gefunkt hat. Den Blick zu Boden gesenkt bin ich weitergegangen. Ich habe nichts zu geben und nichts zu gewinnen. Dieser Ort und dieses Leben hier lassen die Farben verblühen, und es ergibt wenig Sinn, Grautöne zu mischen. Etwas heller, etwas dunkler, am Ende kommt immer nur Grau heraus.
    Ich fahre auf den Parkplatz mit den Markierungen im Fischgrätmuster und nehme Kurs auf die Lücke, aus der soeben jemand heraussetzt. Der Mann am Steuer ist jung, sieht aber schon frustriert aus. Das wandelnde weiße Fähnchen. Unglaublich, wie schnell manche Leute aufgeben. Das sind keine Verlierer, sondern Menschen, die es gar nicht erst versucht haben, Hauptdarsteller in einem Stück, das schlimmer ist als jede Niederlage.
    Ich kenne viele von der Sorte.
    Manchmal denke ich, eine solche Figur zu sehen, wann immer ich in den Spiegel schaue. Ich öffne die Wagentür, steige aus und lasse die Depression der durchwachten Nacht im Innern meines Mini zurück. Der Weg zum Haus führt mich an der Grundstücksmauer entlang.
    Zu meiner Linken, zweihundert Meter weiter, befinden sich die Sozialwohnungen. Das ist eine andere Welt, gleichermaßen prekär und beständig. Roh und in ständigem Werden begriffen. Ein buntes Volk wohnt dort, Arbeiter und kleine Gauner, allesamt Hilfsarbeiter, die von einem größeren, weitverzweigten Kreis ausgenommen werden. Ein Moment des Ruhms, ein wenig leicht verdientes Geld, das vor der Bar sofort mit einem neuen Wagen zur Schau gestellt wird, im Morgengrauen dann zwei Einsatzwagen der Carabinieri. Ein Platz wird frei, und immer wartet schon jemand, der ihn bereitwillig einnimmt. Wenn man es recht bedenkt, handelt es sich einfach nur um eine andere Form von Pendlerexistenz.
    Laut Topographie der Mailänder Umgebung befinden wir uns in der Via Fratelli Rosselli Nr. 4. Für mich sind wir an dem Ort, den ich für ein paar Stunden am Tag mein Zuhause nenne. Auf der anderen Seite des Rasens führt eine Frau ihren Hund aus. Es ist ein Schäferhund, der hin und her rennt und begeistert um seine verschlafene Herrin herumspringt. Dem Tier scheint dieses vom Smog gedüngte Grün besser zu gefallen als dem Rest der Anwohner.
    Ich öffne die Glastür und steige in den ersten Stock hinauf, ohne jemandem zu begegnen. Als ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt habe und der Riegel aufschnappt, überrascht mich plötzlich eine Stimme.
    »Das Schloss eines Mannes, der nach Hause zurückkehrt, hat einen anderen Klang als das eines Mannes, der geht.«
    Ich drehe mich um. Im Eingang gegenüber zeichnet sich Lucios Silhouette ab. Die Richtung seines Blicks liegt etwas neben der Blickachse, auf der ich mich befinde. Lucio hat eine schwarze Sonnenbrille auf. Ich weiß, dass er sie nicht trägt, wenn er alleine ist, aber die nachvollziehbare Scham des Blinden gebietet es, die von einem furchterregenden Weiß überzogenen Augen zu bedecken, wenn jemand in der Nähe ist.
    Ich deute ein Lächeln an, das er nicht sehen, wohl aber spüren kann.
    »Du hast das Gehör einer Katze.«
    »Ich habe das Gehör eines Musikers. Schlüssel sind ein Gebiet, auf dem ich mich auskenne.«
    Sofort unterwirft er sich selbst der Zensur.
    »Eine äußerst fragwürdige Pointe. Ich könnte nie im Leben als Kabarettist auftreten. Vermutlich muss ich mich damit begnügen, die italienische Version von Stevie Wonder zu sein.«
    Lucio spielt Gitarre, und zwar ganz ausgezeichnet. Wenn ich daheim bin, höre ich ihn oft üben. Dieses kurvenreiche, weibliche Instrument mit den breiten Hüften ist der Freibrief für seinen Weg aus der Dunkelheit in die Freiheit. Dank der Musik schlägt er sich ganz gut durch. Es gibt Zeiten, in denen er in irgendwelchen Lokalen in Brera auftritt, und solche, in denen er in der U-Bahn spielt. Vermutlich verschafft er sich so ein Gefühl für den Wechsel von Tag und Nacht, da sonst ewige Nacht für ihn herrscht. Vielleicht könnte er es besser haben, aber das, was er hat, scheint ihm zu reichen. Ich habe ihn nie danach gefragt, und er hat nie etwas dazu gesagt. Ein Teil des Lebens eines jeden Menschen fällt in den sakrosankten Bereich der eigenen Angelegenheiten. Schwierig ist nur herauszufinden, wie weit sich dieser Bereich jeweils erstreckt.
    »Möchtest du einen Kaffee?«
    Ich bleibe in der geöffneten Tür stehen. Er zieht eine Schulter hoch.
    »Mach nicht so ein bedenkliches Gesicht. Ich weiß, dass du das tust. Einen Kaffee in netter Gesellschaft sollte man niemandem verwehren. Das
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