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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer
Autoren: Tom Holt
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einnahm, der ganze Urlaub gestrichen worden. Sämtliche Buchhalter und Steuerfachleute hatten sich im Blutkreislauf der britischen Wirtschaft wie Bazillen breitgemacht, um die finanziellen Verstrickungen der National Lombard Bank, des größten und kompliziertesten Kunden der Firma, zu entflechten. Da die National Lombard Bank verzweigter als auch nur irgendein Baum im New Forest ist und der Bridporter Filiale von der Geschäftsleitung ungefähr die Bedeutung eines Abstiegsplatzes in der vierten Kreisklasse beigemessen wird, waren deren Angelegenheiten ohne Zögern Jane Donalds Erfahrung, Sachverstand und hochmotiviertem Engagement anvertraut worden.
    Jane dachte über alles das nach, während sie ihren Wagen unter einer Linde in der berühmten Bridporter Durchfahrtsstraße parkte, die einige von der Muse geküßten Geister sinnigerweise South Street getauft hatten. Tatsächlich waren ihr während der ganzen Fahrt über die A 303 bis hierher die Worte ›ein Niemand auf dem Weg nach nirgendwo‹ wie eine kleine Orientierungshilfe im Kopf herumgeschwirrt, und als sie ihren Bestimmungsort erreicht hatte, war sie nicht mehr in der Stimmung, anderen gegenüber freundlich oder gar für die Sehenswürdigkeiten der Stadt empfänglich zu sein. Das erklärte auch in gewisser Weise ihre mangelnde Begeisterung für die Verkehrsampel, die an diesem tristen Morgen zufällig selten schön leuchtete.
    Egal, sagte sich Jane, als sie die Bank betrat. Bei ihren Selbstaufmunterungsversuchen ging sie zwar nie über ein Egal hinaus, aber es war immer wieder einen Versuch wert. Wie sie erwartet hatte, waren für sie eine Menge hübscher Konten und Rechnungsbücher ausgesucht worden, mit denen sie sich von nun an vergnügen durfte. In allen Unterlagen herrschte ein solch hoffnungsloses Durcheinander, daß selbst Sherlock Holmes schwerste Detektivarbeit hätte leisten müssen, um dahinterzusteigen, selbst wenn Theseus ihm dabei geholfen, Einstein die Zahlen berechnet und Eduscho literweise schwarzen Kaffee gestellt hätte. Jane sagte sich, daß es stets allein auf den guten Vorsatz ankommt. Sie konnte sich die Gesichter der Angestellten nur zu gut vorstellen, als diese von der Nachricht überrascht worden waren, demnächst werde eine Buchhalterin von Moss Berwick eintreffen. ›Moss Berwick, wie?‹ hörte sie einen Mitarbeiter zum anderen sagen. ›Während ich die Rechnungen verschwinden lasse, sollte ein anderer die Umsatzstatistik für Juli Verstecken.‹
    Nach etlichen Fehlstarts kroch der Stundenzeiger der Uhr an der Seitenwand des Schranks, den man zu ihrer persönlichen Verfügung direkt neben sie gestellt hatte und von dem eine geradezu behagliche Wohnatmosphäre ausging, endlich auf die Eins, und Jane Doland legte die ihr vertraglich zugesicherte Mittagspause ein. Ein Großteil der kostbaren fünfundvierzig Minuten, die ihr laut Arbeitsvertrag zur Erholung, Nahrungsaufnahme und inneren Einkehr zustanden, ging für die Suche nach dem Union Hotel und die Zimmerbuchung drauf. Wie Jane anhand der lauten Geräusche beim Einrasten der Mechanik feststellen konnte, funktionierten wenigstens die Rollhandtücher auf den Toiletten, die sich direkt neben ihrem Zimmer befinden mußten. Indem sie aufs Auspacken verzichtete, schaffte sie es gerade noch rechtzeitig auf einen Sprung ins Hotelrestaurant, um sich dort ein Sandwich und eine Tasse Kaffee zu bestellen. Nachdem man sie unterrichtet hatte, daß die Küche bereits geschlossen sei, rannte sie zur Bank zurück und kam genau drei Minuten zu spät. Auf den Filialleiter schien das keinen besonderen Eindruck zu machen, aber einer der Kassierer warf ihr einen Blick zu, der ihr fast den gesamten Lack von den Fingernägeln abbröckeln ließ. Um Viertel nach drei brach ihr Bleistift ab.
    Egal. Nur nicht aufgeben, Mädchen, du hast noch vier Tage vor dir, sprach sie sich Mut zu, als sie vom Bürogehilfen unterrichtet wurde, daß die Bank nun geschlossen werde, da Feierabend sei. Denk stets an die Ehre der Firma, sagte sie sich. Denk an den guten alten Mister Moss, der sich aus den Liverpooler Slums des neunzehnten Jahrhunderts an den eigenen Haaren herausgezogen hat, indem er am Mechanics Institute die ganze Zeit voller Hingabe studierte, sämtliche Prüfungen bestand und sich beruflich qualifizierte, bis er schließlich den guten alten Mister Berwick kennenlernte und mit ihm zusammen das größte Steuerberaterbüro gründete, das die Welt je gesehen hatte. Diese hinreißende Geschichte hatte Jane
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