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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer
Autoren: Tom Holt
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Macht hat, unmittelbar in das Geschehen einzugreifen.«
    »Was Miß Doland nicht so alles vermutet …«, antwortete Vanderdecker. »Das alles ist kein bißchen so. Man merkt überhaupt nicht, wie die Zeit vergeht, dazu schreitet sie viel zu langsam voran. Sonst könnte man ja glatt behaupten, daß einem von der Erddrehung schon schwindlig würde. Um ehrlich zu sein, fühl ich mich nicht mal besonders anders. Ich glaub, ich hab bereits mit Neunzehn aufgehört, mich anders zu fühlen, und seitdem war ich immer derselbe. Etwas anderes wäre es natürlich gewesen, wenn ich eingeschlafen und erst Jahrhunderte später wieder aufgewacht wäre, aber … so etwa muß eine Fahrt auf einem Hovercraft sein.«
    »Bist du noch nie damit gefahren?«
    »Was, mit einem Hovercraft? Nie im Leben! Die Dinger sind mir zu gefährlich.«
    Jane kicherte. »Aber Julius, du bist doch unverwundbar und unsterblich! Für dich gibt’s überhaupt keine Gefahr. Du kannst doch unmöglich Angst vor einem Hovercraft haben.«
    »Wetten doch?«
    Jane lächelte und schüttelte den Kopf. Ob sie wohl in vierhundert Jahren genauso wäre wie er? Oder würde er immer diesen Vorsprung vor ihr halten?
    »Es war nett vom Professor, daß er noch mal gekommen ist, um sich von uns zu verabschieden, findest du nicht, Julius?«
    »Ich denke, schon.«
    »Glaubst du, daß es ihm jemals gelingen wird, ein Gegenmittel zu finden?«
    Vanderdecker grinste. »Zu guter Letzt vielleicht doch«, antwortete er. »Eilt das?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    In weiter Ferne nahm das Motorschiff Erdenkrieger, Flaggschiff der Umweltschutzorganisation Green Machine, eine scharfe Kursänderung vor. Der bordeigene Geigerzähler hatte plötzlich angefangen, wild zu piepen und das Lied ›Jerusalem‹ zu spielen, und von jemandem war die Ansicht geäußert worden, das riesige Schiff am Horizont könnte etwas damit zu tun haben.
    Man ließ ein Schlauchboot zu Wasser und fuhr los, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die Geschäfte gingen wegen der neuen Initiative zur weltweiten Abschaffung der Atomkraft (niemand wußte, wo diese Initiative eigentlich gegründet worden war) in letzter Zeit schlecht, weshalb ausnahmsweise einmal kein Mangel an Freiwilligen herrschte.
    »Ahoi, ihr da auf dem Tanker!« rief der Kapitän der Erdenkrieger.
    Er schaute durchs Fernglas und erblickte ein bekanntes Gesicht.
    »Toll, euch mal wieder zu begegnen«, erwiderte Vanderdecker durchs Megaphon. »Wie geht’s mit der Rettung der Erde voran?«
    »Sehr gut«, antwortete der Deutsche. »Stammt diese radioaktive Strahlung von deinem Schiff?«
    »Das ist keine radioaktive Strahlung«, antwortete Vanderdecker. »Also, an sich nicht. Die ist völlig harmlos.«
    »Wenn das so ist, warum bist du dann knallgrün und glühst so komisch?«
    »Zuviel Limburger Käse!« rief Vanderdecker zurück. »Na, kommt schon, ihr kennt mich doch. Ich bin doch auch ein Freund der Erde. Ich und die Erde sind sogar dicke Freunde.«
    »Okay«, erwiderte der Deutsche. »Entschuldige die Störung. Auf Wiedersehen!«
    »Auf Wiedersehen!« rief Vanderdecker auf deutsch zurück und fügte flüsternd »Du Idiot« hinzu. Er verließ die Brücke und ging in die Bibliothek hinunter. Jane war im Wohnzimmer und verglich Teppichmuster. Im Moment war sie ganz verrückt nach einer Art Beigepink mit leichter Textur im Flor. Schon bei dem Gedanken an solche Auslegware lief Vanderdecker – wenn auch ein schwacher – Schauer über den Rücken, bis ihm einfiel, daß sich selbst die besten Teppiche letztendlich einmal abnutzen; alles eine Frage der Zeit.
    Während er die Leiter hinunterstieg, blieb Vanderdecker kurz stehen und blickte aufs Meer hinaus. Die See ist unendlich weit – genau wie die Geschichte – und Wasser ist Leben. Ach, zur Hölle mit diesen krausen Gedanken.
    »Käpt’n«, fragte eine Stimme über seinem Kopf, »hast du ’n Moment Zeit?«
    Vanderdecker seufzte. »Natürlich hab ich Zeit, Antonius.« Er stieg die Leiter wieder hinauf.
    »Käpt’n«, klagte Antonius, »ich kann den Hauptmast nicht finden.«
    »Es gibt auch keinen.«
    »Keinen Hauptmast?«
    »Keinen Hauptmast. Aber dafür hat das Schiff Schrauben.«
    Antonius dachte nach. »Käpt’n«, sagte er.
    »Ja?«
    »Wie setzt man denn ’n Segel an ’ner Schraube?«
    »Gar nicht«, antwortete Vanderdecker. »Die Schraube sitzt nämlich im Wasser und dreht sich immer im Kreis rum.«
    Antonius runzelte die Stirn. »Und so was nennt man nun Fortschritt«, spottete
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