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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer
Autoren: Tom Holt
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Vanderdecker auf. »Sich einen Spaß mit euch gemacht. Euch einen Bären aufgebunden. Sich über euch lustig gemacht.«
    »Woher weißt du das?«
    Vanderdeckers Lächeln wurde etwas breiter. »Glaub’s mir einfach. Ich weiß es eben. Warum laßt ihr mich nicht einfach …«
    Sebastian zuckte die Achseln. »Wie du willst«, maulte er leicht gekränkt. »Wir haben ja nur versucht …«
    »Ja, das macht ihr ja immer. Und jetzt hau endlich ab! Sei ein braver Junge, ja?«
    Sebastian zottelte davon, und Vanderdecker wandte sich wieder Jane zu. »Verstehst du nun?« fragte er. Jane nickte. »Und du willst trotzdem mitkommen?«
    »Ja, bitte.«
     
    Vierzehn Monate später rollte morgens um halb fünf der größte Supertanker, der jemals gebaut worden war, in das kalte Wasser der Nordsee und trat die Jungfernfahrt an.
    Merkwürdigerweise fanden keine Feiern zum Stapellauf dieses großartigen Schiffs statt (das aus vernünftigen steuerlichen Gründen auf den Namen Lombard Venturer ID getauft worden war). Es waren keine Zuschauer da, keine Band spielte auf, noch nicht einmal eine Pikkoloflasche brach an dem ehrfurchtsgebietenden Schiffsbug entzwei. Nur eine Kameracrew filmte die Abfahrt des Tankers, und das auch nur, weil es die Eigner nicht übers Herz gebracht hatten, Danny Bennett einen Knüller abzuschlagen, mit dem er den Schaden wieder wettmachen wollte, den der Reinfall seiner letzten Dokumentation ›Schließt die Molkereien, Leute! Da drinnen ist Blut‹ seiner Laufbahn zugefügt hatte.
    Diese Sehnsucht nach Abgeschiedenheit war verständlich, denn die Eigner sahen nicht gerade wie das blühende Leben aus.
    »Ich finde trotzdem, daß es dir steht«, beteuerte Vanderdecker.
    »Die Leute müssen mich doch für seekrank halten«, antwortete Jane.
    »Laß sie doch«, erwiderte Vanderdecker. Er warf einen kurzen Blick auf das Steuerpult vor sich, eine Kreuzung aus einer gewaltigen Computertastatur, dem Cockpit eines Flugzeuges und einer Yamaha-Orgel.
    »Ich frage mich, wie du dieses Ding bloß steuerst«, sagte Jane bewundernd und fügte hinzu:
    »Übrigens hab ich Antonius das Handbuch geliehen, durfte ich das? Er hat mich nämlich gefragt, was ein ›Gyroskop‹ ist.«
    »Nun, ehm …«, erwiderte Vanderdecker und blieb eine Antwort schuldig. »Ist egal. Auf jeden Fall ist so was hier um Längen besser als dieses ewige Einziehen der Taue. Wo wollen wir als erstes hinfahren?«
    »Nach Reykjavik«, schlug Jane vor.
    »Wieso denn gerade nach Reykjavik?«
    »Weil wir alle Zeit der Welt haben, und ich mir die guten Sachen für später aufheben will.«
    »Gute Idee, mein Schatz. Wie ich sehe, kriegst du langsam den richtigen Dreh raus.«
    Durch das getönte Doppelglasfenster sahen sie zu, wie die Küste langsam in der Ferne verschwand. Nur kurz spürte Jane, wie sie unter ihr altes Leben einen endgültigen Schlußstrich zog, und sie fragte sich, ob sie ihm nachtrauern sollte. Sie trat jetzt unwiderruflich in einen neuen zeitlichen Rahmen, und wenn sie das nächstemal nach England zurückkehrte, würden vielleicht alle ihre Bekannten tot sein. Aber das war ein sehr großer Gedanke, für den sie in ihrem Kopf keinen Platz hatte, zumal sie von einer stillen, bewußten Zufriedenheit erfüllt war.
    »Eine andere tolle Sache an diesem Schiff ist, daß man nicht jedesmal, wenn was kaputtgeht, zur Reparatur nach Bridport fahren muß«, freute sich Vanderdecker. »Mein Gott, wie ich Bridport hasse!«
    »Das hab ich mir schon gedacht«, meinte Jane. »Es ist bestimmt nicht schön gewesen, dort immer wieder seinen Landurlaub verbringen zu müssen, oder?«
    »Das kann man wohl sagen!« seufzte der Fliegende Holländer. »Wenn man allerdings oft genug an einen bestimmten Ort fährt, dann fängt man nach gewisser Zeit bestimmt an, irgendwie daran zu hängen. Selbst an Bridport«, fügte er hinzu.
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Nein«, gestand Vanderdecker. »Bei jedem neuen Besuch hatte sich Bridport wieder ein ganz klein wenig verändert, natürlich zum Schlechten. Ein neuer Parkplatz hier, die Verwandlung eines Fischladen in das Büro eines Immobilienmaklers dort. Ich hatte wirklich gedacht, Bridport hätte 1837 den absoluten Tiefpunkt erreicht, aber zu der Zeit hatten sie noch nicht den Busbahnhof gebaut.«
    »Macht es denn Spaß, die historische Entwicklung zu verfolgen?« fragte Jane voller Zweifel. »Zeuge des langen Wegs der Menschheit zu werden? Ich nehme an, das ist wohl wirklich so, als wäre man ein Gott, nur daß man nicht die
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