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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes
Autoren: Andreas Franz
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nicht genau, Unwetter, Gewitter, Hagel, vielleicht auch schlimmer … sucht euch was raus.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Willy, was soll daran schon Besonderes sein? Wir haben hier schon Hunderte von Gewittern gehabt, und auch Hagel ist nichts Besonderes. Und was kann es schon Schlimmeres geben? Wenn das alles ist …«
    »Ihr könnt mich mal kreuzweise! Aber ihr werdet’s schon sehen! Ist euer verdammtes Problem und nicht meins! Es wird ein furchtbares Unheil über Waldstein kommen!«
    »Toni, geben Sie ihm ein Bier, damit er das Unheil besser übersteht. Vielleicht stärkt es ja seine Widerstandskraft.«
    Brackmann trank aus, zahlte und ging mit schweren Schritten zurück zu seinem Wagen, dessen Sitze sich in der glühenden Sonne wie Kochplatten aufgeheizt hatten. Er wollte einsteigen und weiterfahren, überlegte es sich anders, überquerte die Straße, um einen kurzen Blick ins Büro zu werfen – nachsehen, was Schmidt machte, undvielleicht für einen Moment, aber nicht länger, die Beine hochlegen. Und dann wieder fahren. Er mochte das Büro nicht, er hatte die Enge von Büros noch nie gemocht. Sie erdrückte ihn.

Kapitel 2
    Waldstein war eine kleine Stadt, die bei der letzten Erhebung vor fünf Jahren gerade 2243 Einwohner gezählt hatte, klein und friedlich. Die zumindest bis vor ein paar Jahren kalten und schneereichen Winter dauerten meist von November bis Ende März, die kurzen Sommer waren mild bis kühl und häufig regnerisch gewesen. Seit etwa zehn Jahren aber waren die Winter milder und kürzer geworden, Schnee fiel immer seltener, dafür wurden die Sommer länger und heißer. Vor zwei Jahren gab es einen Jahrhundertsommer, der im vergangenen Jahr von einem weiteren Jahrhundertsommer überboten wurde, als drei Monate lang Temperaturen von über 25 Grad herrschten, dazu eine teilweise unerträglich hohe Luftfeuchtigkeit, die sich in bisweilen gewaltigen Gewitterstürmen mit Hagelschlag entlud. Und dieser Sommer machte sich daran, einen weiteren Rekord aufzustellen; seit Mitte Mai hielt sich die Hitzeglocke, wurde erst trocken-heiße Luft von Osten herübergeschaufelt, später, ab etwa Mitte Juli, wehte fast permanent ein heißer Südwind. Waren schon die Tage kaum noch auszuhalten, so wurden die Nächte zur Qual, wenn kein Windhauch sich mehr regte, die Schwüle alles zu erdrücken schien, das Thermometer kaum mehr unter 20 Grad fiel. Ehemals saftig grüne Wiesen waren verdorrt, die meisten der zahlreichen Karpfen- und Forellenteiche waren nur noch stinkende Tümpel, die Fische fast sämtlich qualvoll an Sauerstoffmangel verendet. Wenn die Menschen sich überhaupt nach etwas sehnten, dann nach kühleremWind und vor nach allem Regen, der der verdorrten Landschaft wieder Leben einhauchte.
    Kaum einer, der sich daran gewöhnt hatte, wie die Sonne unbarmherzig den Boden verbrannte, die Häuser aufheizte und tagsüber sämtliche Aktivitäten lähmte. Erst gegen Abend kam etwas Leben in den Ort, wenn die Sonne als riesiger roter Ball die leichten Wölbungen des etwa eine Autostunde entfernten Frankenwaldes berührte, um schließlich dahinter in den Horizont einzutauchen. Dann kamen auch die Menschen aus ihren Häusern gekrochen, die kleinen, meist liebevoll angelegten, schmucken Gärten wurden gewässert, hier und da Grillfeuer entzündet.
    Doch die Einwohnerzahl von Waldstein reduzierte sich seit geraumer Zeit stetig, meist junge Leute zog es in die größeren Städte, wo das Leben aufregender war, spannender, abwechslungsreicher, amüsanter, kurz schöner und lebenswerter, wo sie sich austoben konnten, es genug Arbeit gab, viele und interessante Geschäfte, Kinos und Theater, Diskotheken und schicke Restaurants. Kaum einer verspürte Verlangen, in die Trostlosigkeit von Waldstein zurückzukehren. Denn Waldstein bot nichts, kein Theater, kein schickes Restaurant, nur ein kleines, allerdings schmuckes Kino mit bequemen Sitzen, in dem jeden Tag zwei Vorstellungen liefen mit den jeweils aktuellsten Filmen. Bis vor zwanzig Jahren gab es noch eine Bahnverbindung nach Münchberg und Hof, doch sie war wegen mangelnder Auslastung eingestellt und durch je einen Bus ersetzt worden, die beide einmal morgens um halb acht und ein weiteres Mal abends um sechs nach Hof und Münchberg fuhren. Die Gleise und das kleine, aus der Jahrhundertwende stammende Bahnhofsgebäude waren verwaist, Eidechsen, Ringelnattern und hier und da Kreuzottern sonnten sich zwischen dem hohen, jetzt gelben Gras, das die Schienen allmählich
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