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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer
Autoren: Elvira Zeissler
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Prolog

    »Ich habe Angst!« Der schrille Schrei seiner Tochter riss ihn aus seinen Gedanken. Graf Lerouge sprang hoch und hatte schon fast die Tür erreicht, als er eine unbekannte Männerstimme erwidern hörte: »Du musst es tun, du musst! Dann bist du auf ewig bei mir. Spring!«
Ohne inne zu halten, eilte der Graf, von seinem Kammerdiener gefolgt, zum angrenzenden Zimmer seiner Tochter. Als er keuchend durch die halb offene Tür in Annes Kammer stürmte, brauchte er einen Augenblick, um die grausige Situation zu erfassen. Seine Tochter stand unsicher am offenen mannshohen Fenster, anscheinend in der Absicht, sich zwei Stockwerke tiefer auf den gepflasterten Hof zu stürzen. Ihre Augen waren panisch geöffnet und ihre Hände so fest in den Fensterrahmen gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ihr wirrer Blick ging pausenlos zwischen dem unter ihr liegenden Hof und ... einem Fremden hin und her.
Mit einem Schaudern erkannte der Graf, dass dieser unheimliche Fremde mit vor Erwartung glänzenden Augen und einem merkwürdig verzerrten Gesicht nur darauf zu warten schien, dass seine Tochter aus dem Fenster sprang.
Mit flatternden Haaren und völlig verstört wandte Anne sich wieder dem Fenster zu. »Liebster, ich komme!«, murmelte sie schließlich fieberhaft.
»Anne, nein!« rief der Graf erschrocken und stürmte nach vorn. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, seine Tochter an der Taille zu packen und sie von dem Fenster fortzuziehen.
Während dessen eilten weitere Bedienstete durch den Lärm alarmiert herbei. Auf einen Wink des Grafen hin nahmen sie den Eindringling fest, der nicht einmal den Versuch unternahm, sich zu widersetzen. Er stand einfach nur ruhig da, mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen, beinahe so, als bemerkte er die ihn festhaltenden Männer gar nicht. Sein Blick war ununterbrochen auf Anne gerichtet - er schien sie durch diesen Blick in seinen Bann zu ziehen, sie seinem Willen untertan zu machen. Selbst die Umstehenden konnten die unsichtbare, aber kräftige geistige Brücke spüren, die er mit seinem Blick zwischen sich und Anne aufbaute.
Unsicher blickten die Männer den Grafen an. Sie waren dem Fremden zahlenmäßig weit überlegen und dennoch machte er sie nervös. Sogar sie schienen die von dem Mann ausgehende Macht zu spüren. Und etwas Anderes, das ihn trotz der Furcht, die er ihnen einflößte, faszinierend und auf eine finstere Art anziehend machte.
»Schließ das Fenster«, befahl der Graf seinem Kammerdiener. Erst dann traute er sich, die Hand seiner Tochter loszulassen. Er trat entschlossen vor und schirmte seine Tochter vor den Augen des Fremden ab. Als der Blickkontakt abbrach, sank Anne hinter ihrem Vater bewusstlos zu Boden. Besorgt drehte er sich wieder zu seiner Tochter um. »Sperrt ihn ein«, befahl er den Dienern. »Ich werde mich später um ihn kümmern.« Dann nahm er seine Tochter sanft in die Arme und trug sie aus dem Zimmer.
Sobald der Graf seine Tochter in Sicherheit gebracht hatte, schwand das Lächeln des Fremden, und die leuchtende Kraft des Blickes erlosch. Mit einem Stöhnen, das halb Enttäuschung und halb verborgene Wut verriet, entwand er sich mit übermenschlicher Kraft den ihn festhaltenden Armen und lief aus dem Zimmer. Die verdutzten Männer hielten einen Augenblick inne, bevor sie die Verfolgung aufnahmen. Doch als sie es endlich taten, war es zu spät. Der Fremde war spurlos verschwunden.

Als er dies hörte, befahl der Graf sofort, das Schlossgelände abzuriegeln und zu durchsuchen. Dann wandte er sich wieder seiner Tochter zu, die noch immer nicht zu sich gekommen war. Und selbst in der Bewusstlosigkeit wich die Spannung nicht aus ihrem Gesicht. Es war deutlich zu sehen, dass dieser Fremde, wer auch immer er sein mochte, weiterhin große Macht über sie besaß. Immer wieder hielt der besorgte Vater seiner Tochter ein Riechfläschchen unter die Nase und nach einer Weile öffnete Anne doch langsam die Augen.
»Vater, wo bin ich?« fragte sie benommen. Dann schien sie sich zu erinnern. »Ich bin nicht tot?« fragte sie beinahe erschrocken. »Warum lebe ich noch? Warum soll ich leben, wo er doch so nicht bei mir sein kann?« Unruhig wandte Anne ihren Kopf hin und her. »Frederik ... wo ist Frederik?« stammelte sie immer wieder, noch nicht bei vollem Bewusstsein.
»Aber mein Engel, so beruhige dich doch. Wer ist Frederik?« Hilflos blickte der Graf seine Tochter an.
»Ich sehe ihn nicht, wo ist er? Was hast du mit ihm gemacht?« fragte sie
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