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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein
Autoren: Rae Carson
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Augenbraue bis hin zum Haaransatz und vergrabe schließlich meine Finger in seinem Haar, so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. »Wie meinst du das?«
    Er lehnt sich gegen meine Hand, kuschelt sich in meine zärtliche Berührung. »Der Animagus, der mich in seinem Bann hielt, war abgelenkt.« Wieder holt er rasselnd Luft. »Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Du warst viel wichtiger.«
    In diesem Augenblick empfinde ich so viel für ihn wie nie zuvor. »Du bist ein Held«, sage ich voller Überzeugung. »Danke.«
    Er schließt das eine sichtbare Auge, und seine Züge entspannen sich. Gerade will ich mich leise auf Zehenspitzen wieder entfernen, als er fragt: »Elisa, wir sind Freunde geworden, oder nicht?«

    Zwar bin ich mir dessen nicht sicher, aber ich würde mich freuen, wenn es so wäre, und deswegen antworte ich: »Natürlich. Genau, wie du gesagt hast. In unserer Hochzeitsnacht.«
    »Gut.« Er seufzt. Dann: »Ariña ist tot, nicht wahr?«
    »Ich bin nicht sicher, Alejandro. Aber ich glaube, ja.«
    »Ich habe sie geliebt.« Trauer umwölkt seine Stirn, dann geschieht etwas anderes; es ist, als ob er schmilzt. Er wirkt seltsam weit weg, als er sagt: »Pass auf Rosario auf.«
    »Du kannst selbst auf ihn aufpassen.«
    »Versprich es mir. Er liebt dich.«
    Jetzt sollte ich ihn mit Beteuerungen überschütten, dass es ja gar nicht so schlimm ist. Ich sollte etwas sagen, das ihm Hoffnung gibt. Aber ich könnte auch ehrlich sein. »Das verspreche ich.«
    »Elisa? Ich hätte dich auch geliebt, wenn ich ein bisschen mehr Zeit gehabt hätte.«
     
    In seinen letzten lichten Momenten ruft Alejandro Vater Nicandro, General Luz-Manuel und mich an sein Bett. Mit zitternden Händen unterschreibt er ein Edikt, das mich zu seiner Erbin und zur königlichen Regentin von Joya d’Arena erklärt, bis sein Sohn mündig wird. »Wenn ich nicht mehr bin«, erklärt er mit so leiser Stimme, dass ich mich zu ihm herunterbeugen muss, um ihn zu verstehen, »kann niemand dir das Recht streitig machen, unser Land zu regieren. Auch wenn du nicht hier geboren bist.«
    Ich hätte Rosario so oder so auf den Thron gebracht, auch ohne seine Hilfe. So gut kenne ich mich inzwischen. Dennoch rührt mich seine Geste. Ich muss ein wenig blinzeln
und schlucken, bevor ich endlich herausbringe: »Danke, mein Freund. Rosario wird in dem Bewusstsein aufwachsen, dass sein Vater bis zum Ende edel gehandelt hat.«
    Meine Worte scheinen ihn zu beruhigen. Am nächsten Morgen fällt er in tiefe Bewusstlosigkeit, aus der er nicht mehr erwacht.
    Lord Hector verfolgt die riesige, aber demoralisierte Armee Inviernes bis in die zerklüfteten Arme der Sierra Sangre und kehrt dann nach Hause zurück. Er erstattet mir in meinem neuen Schreibzimmer Bericht – ich residiere inzwischen in einem opulenten Raum, ausgestattet mit luxuriösen Teppichen und schimmernden Bücherregalen, in dem ich mich noch nicht ganz zu Hause fühle – und legt mir sein Rücktrittsgesuch auf den Tisch.
    Überrascht sehe ich zu ihm auf. »Was ist das?«
    »Majestät, ich bin der Leibwächter des Königs. Mein König ist tot. Demzufolge habe ich keine Stellung mehr. Mit diesem Schreiben mache ich es nur offiziell.«
    Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Den Gedanken, Hector zu verlieren, kann ich nicht ertragen. Irgendwann, als ich gerade nicht aufgepasst habe, ist er mir unglaublich ans Herz gewachsen.
    Aufmerksam studiere ich sein Gesicht, aber seine schönen Züge sind wie aus Eisen gegossen und lassen keine Gedanken erkennen. »Seid Ihr so darauf bedacht, in den Ruhestand zu treten?«, frage ich zögernd. »Wollt Ihr wirklich gehen?«
    Sein Mund öffnet sich. Schließt sich wieder. Er tritt von einem Fuß auf den anderen.
    »Falls Ihr nicht wirklich fest entschlossen sein solltet, Euch von mir abzuwenden, wäre es schön, wenn Ihr es in
Erwägung ziehen würdet, zu bleiben. Ich … nun, Ihr müsst mir verzeihen …«Meine Wangen brennen leicht, und meine Hände werden feucht. »Ich ging schlicht und ergreifend davon aus, dass Ihr von nun an Leibwächter der Königin sein würdet.«
    Eine Ewigkeit warte ich auf seine Antwort.
    Dann entspannt sich sein Gesicht, und sein Schnurrbart zuckt leicht, als sich ein leises Lächeln über seine Lippen zieht. »Es wäre mir eine Ehre, Majestät.«
    Erleichtert atme ich aus. »Oh, Gott sei Dank.«
     
    Drei Monate nach Alejandros Tod, an dem Tag, als Brisadulce die Trauerkleider abwirft, kröne ich Cosmé zur Königin von Basajuan,
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