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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein
Autoren: Rae Carson
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passende Antwort nach. Meine Hände zittern. Dann mache ich einen kleinen Schritt auf den Animagus und auch auf Rosario zu. Mit hoch erhobenem Kopf sehe ich meinen Gegner fest an. »Der Steinträger fürchte sich nicht«, hat Homer in seiner Prophezeiung geschrieben.
    »Ich habe abgewartet«, erkläre ich dann. »Gewartet, bis ich mehr als einen einzelnen Stein in die Hände bekam. Und siehe da! Hier steht ihr. Drei von eurer Sorte.« Noch ein Schritt, und ich bin an Rosario vorbei. Der Animagus vor mir weicht keinen Millimeter. Ich hoffe, dass ich ihm den Blick auf den Jungen versperre, der nun hinter mir steht. »Du hast doch sicher gehört, was deinem Bruder widerfahren ist. Demjenigen, der im Lager eurer Nordarmee war.« Während ich noch spreche, schiebe ich die rechte Hand hinter den
Rücken und halte die leicht gekrümmte Handfläche nach oben. »Ich habe ihn verbrannt. Ich habe sein eigenes Amulett gegen ihn eingesetzt und ihn verbrannt.«
    Nur einen winzigen Augenblick zieht ein Hauch von Besorgnis über die Porzellanzüge des Animagus, weicht aber schnell wieder einem wilden Grinsen. »Ich glaube, du liebst deine Freunde zu sehr, kleines Mädchen«, zischt er. Dann dreht er sich zu den anderen beiden. »Verbrennt die große Frau.«
    »Nein!« Zwar kann ich Maras Gesicht nicht sehen, aber ich kann es mir vorstellen. Vor meinem geistigen Auge erscheint ein Bild, und ich sehe die kleine Narbe über ihrem Auge, die das Lid ein wenig herunterdrückt, und ihre zusammengepressten Lippen.
    Rosario lässt die Feuersteine in meine Hand fallen.
    Nun glühen die Amulette der Animagi so grell, dass ich sie kaum noch ansehen kann. Der Hexenmeister, der Maras Haar gepackt hat, reißt sie daran hoch.
    Der Steinträger schwanke und wanke nicht.
    Mit einem Ruck ziehe ich die goldene Blume aus meiner Schärpe und drücke die Feuersteine in die Vertiefungen in den Blütenblättern. Mit einem Klick rasten sie ein, und Hexenkunst hält sie dort fest. Licht strömt vom Amulett des Animagus in Maras Oberkörper, während ich mein eigenes Amulett gegen ihn erhebe.
    Bitte hilf mir. Gott ist niemals eingeschritten, um das Leben eines Menschen zu retten, an dem mir etwas lag. Aber trotzdem bete ich darum, dass das Amulett nun irgendetwas tun wird, was auch immer das sein mag. Nur dieses eine Mal.
    Nichts passiert. Der Anhänger erwärmt sich nicht einmal in meiner Hand.

    Maras Schreie zerreißen die Luft, und in mir zerbricht etwas.
    »Wartet! Aufhören!«, rufe ich. »Ich gebe euch meinen Feuerstein. Aber hört auf!«
    Der Animagus stößt Mara weg, und sie sinkt in sich zusammen. Rauch steigt von ihren Kleidern auf. Oh, Mara. Du hast schon so viel durchmachen müssen.
    Alle drei Animagi kommen nun auf mich zu, die blauen Augen auf das seltsame Objekt in meiner Hand gerichtet, und ihre langen Finger zucken wie Spinnenbeine. Tränen rinnen über meine Wangen. Ich habe so schrecklich versagt. Rosario wird nicht entkommen. Die Animagi werden ihre zehn Feuersteine bekommen, mehr sogar. Meine Arme sinken schlaff herab, mein Kinn senkt sich. Vier Feuersteine hätten doch irgendetwas bewirken müssen.
    Laute Rufe, schwere Schritte, metallisches Klingen. Soldaten schieben sich durch die Tür, unsere eigenen Leute. Die Animagi wenden sich überrascht von mir ab, und ich nutze die Gelegenheit, schnell einen Schritt zurückzutreten, die Hand noch immer um das wirkungslose Amulett gekrallt.
    Einer der Hexenmeister packt Ximena an der Schulter und schiebt sie vor sich, die anderen schnappen sich Rosario und Alejandro. Das Eintreffen der Soldaten ändert gar nichts. Inviernes Zauberer werden trotzdem bekommen, was sie von mir wollen.
    »Lasst sie los«, befiehlt eine dunkle Stimme. Lord Hector! Närrische Hoffnung flammt in mir auf. Nein, das ist es nicht. Es ist vielmehr der Feuerstein, der warme Funken sprühen lässt.

    »Sofort raus aus diesem Raum, sonst verbrennen wir euren König und eure Königin.«
    Der Feuerstein pulsiert in wilder Aufregung, als ob er aus meinem Bauch springen wollte. Als ich an mir hinuntersehe und beinahe erwarte, dass er sich durch meine Schärpe brennt, entdecke ich, dass ich unbewusst den Anhänger gegen meinen Nabel gepresst habe.
    Mein Verstand ist wie ein Nebel aus Wärme und Gewissheit, und eine sengende Kraft durchflutet meinen Körper.
    Vier Feuersteine sind nicht genug. Fünf ist die perfekte Zahl, die der göttlichen Vollendung.
    Ich drehe das Amulett in meiner Hand, und dann sehe ich es – hinten, auf
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