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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein
Autoren: Rae Carson
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ist.
    »Außerdem würde ich gern etwas mit Euch besprechen. Allein.« Die Zofe muss aus der Suite verschwinden, damit Rosario mit seiner Suche beginnen kann.
    Ariña schnippt mit den Fingern, und die Dienerin eilt aus der Tür.
    »Es stört Euch doch nicht, wenn der Prinz kurz Euren Abort benutzt?«, frage ich, warte aber ihre Antwort nicht ab. Stattdessen drücke ich die Hand des Jungen und schicke ihn mit einem leisen Zwinkern nach nebenan in den Baderaum.
    Dann setze ich mich unaufgefordert neben Ariña aufs Bett. »Ich muss Euch einiges fragen, was Euren Vater betrifft. So muss ich beispielsweise unbedingt wissen, wieso Conde Treviño …«

    Ihre Augen weiten sich. Sie starrt auf meine Brust und blinzelt irritiert.
    »Was ist denn?«
    »Das da. Wie habt Ihr das bekommen?« Sie deutet mit ihrem Glas in die entsprechende Richtung, und ein wenig goldener Wein schwappt über den Rand und ihre Fingerspitzen. Sie scheint es nicht einmal zu bemerken.
    Ich lege meine Hand auf die Brust und berühre die beiden Amulette. »Welches von beiden …«
    »Roldáns Amulett. Es gehört meinem Vater. Ihr solltet es nicht tragen dürfen.«
    »Es kam in meinen Besitz, nachdem Euer Vater versucht hat, mich an den Feind zu verkaufen.«
    »Ah ja. Weil Ihr den Feuerstein tragt. Das war übrigens sehr schlau von Euch, diesen Umstand geheim zu halten, als Ihr zuerst hierherkamt.«
    »Erzählt mir von dem Amulett.«
    Sie zuckt mit den Schultern. Offensichtlich fällt es ihr schwer, sich zu konzentrieren.
    Ich schnippe mit den Fingern vor ihrer Nase. »Ariña!«
    Wieder blinzelt sie. »Roldáns Amulett. Es ist das erste Schmuckstück, das er je gefertigt hat. Roldán wurde später ein berühmter Goldschmied, und Sammler zahlen sehr hohe Preise für seine frühen Werke. Dieses Stück«, wieder schwenkt sie das schwappende Weinglas in meine Richtung, »mag grob wirken, ist aber unbezahlbar. Es ist seit Jahrhunderten in Familienbesitz.«
    Ich fasse nach dem Amulett. Es lässt sich wegen der groben Linien und seltsam hervorstehenden Ausbuchtungen nicht leicht umfassen, aber kaum, dass meine Hand das
kalte Metall berührt, flackert der Feuerstein hell und warm auf.
    »Dieser Goldschmied, dieser Roldán.« Es fällt mir schwer, das Zittern aus meiner Stimme zu verbannen. »War er ein Träger?«
    Ariña wirft mir einen verächtlichen Blick zu. »Selbstverständlich.«
    Hitze steigt in mir auf, und ein Gefühl des Eingesperrtseins, als ob die Wände um mich zusammenrücken. Nein, es ist die Geschichte des Feuersteins, die mich mit so unerschütterlicher Kraft bedrängt. Diese Geschichte ist geradezu etwas Lebendiges, Energiegeladenes, das mich jedes Mal wieder überrascht.
    »Alle Träger im Laufe der Zeit«, hat Vater Nicandro gesagt. Alle Träger.
    Eine kleine, schmutzige Hand schiebt sich in meine und zieht an mir. »Können wir jetzt gehen?«
    Rosarios Gesicht glüht vor Aufregung, und er hebt ziemlich offensichtlich seine Augenbrauen. Hoffentlich ist Ariña so betrunken, dass ihr das entgeht.
    »Wir werden Euch jetzt weiter ruhen lassen, Condesa. Ich hoffe, dass Ihr Euch bald wieder besser fühlt.«
    Als ich mich zum Gehen wende, Rosario im Schlepptau, erkundigt sich Ariña: »Wolltet Ihr mich nicht etwas fragen? Wollt Ihr nicht vielleicht ein Glas Wein?«
    »Vielleicht später.« Entschieden öffne ich die Tür.
    »Er will auch nicht mehr mit mir reden, müsst Ihr wissen. Seit Ihr wieder zurück seid. Und jetzt folgt mir ständig jemand, wohin ich auch – was ist mit meiner Palme passiert?«
    In diesem Augenblick schallen vom Kloster her tiefe,
gleichmäßige Triolen herüber. Es ist keine Gottesdienstzeit. Die Glocken können nur eines bedeuten: Das Tor ist gefallen.
    Wir schlagen Ariñas Tür hinter uns zu und laufen den Flur hinunter.

33

    W enig später stürzen wir in meine Räume. Rosario greift in seine Tasche und zieht den kleinen Lederbeutel hervor, dessen braune Farbe sich inzwischen fast in Schwarz verwandelt hat. Feine Erdkrümel rieseln auf den Boden. Ich klatsche vor Freude in die Hände, umarme Rosario und küsse ihn auf die Wange.
    »Die werden wir mitnehmen«, hauche ich. »Invierne wird sie niemals in die Hände bekommen.«
    »Gehen wir jetzt auf unsere Reise?«, fragt der Junge.
    »Ja.« Wenn Mara nicht bald wiederkommt, werden wir ohne sie aufbrechen müssen. Nun, da das Tor gefallen ist, bleiben uns sicher nur noch wenige Minuten.
    »Wird Papá mit uns mitkommen?«
    Alejandro! Ihn hatte ich ganz vergessen!
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