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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein
Autoren: Rae Carson
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Straße. Der Palast ist schon nicht mehr zu sehen. Mein Verstand arbeitet, sucht vernunftgesteuert nach einer Erklärung, als sei ich wieder in Meister Geraldos Studierzimmer, vertieft in die Belleza Guerra.
    Kein gemeinsames Ziel bieten.
    Ich erstarre und sehe zu dem Gardisten auf. Er hat ein jugendliches, angenehmes Gesicht, trotz der harten Züge und des sorgsam geschwungenen Schnurrbarts. Ungeduld flackert in seinen dunklen Augen auf, aber er reißt sich schnell zusammen. »Gnädigste, wir müssen zu Ihrer Kutsche.« Seine Stimme klingt rau und angestrengt, als ob er nicht viel Übung im Sprechen hat.
    Hab keine Angst davor, Königin zu sein, hat Alodia gesagt. »Ihr werdet mich mit Hoheit ansprechen.« Meine Stimme ist fest und selbstbewusst, wie die meiner Schwester. Ich
komme mir albern vor. »Nach der Krönung dann mit Königliche Majestät.«
    Er hebt eine Augenbraue. »Natürlich, Hoheit. Verzeiht.« Aber sein Blick ist skeptisch, spöttisch.
    »Wie lautet Euer Name?«
    »Lord Hector. Ich gehöre zur Leibwache Seiner Majestät.«
    »Ich freue mich, Euch kennenzulernen.« Ich schenke ihm ein höfliches Lächeln, wie es auch Alodia täte. »Lord Hector, in welcher Gefahr befinden wir uns?«
    Mein Gesicht rötet sich, und mein Herz klopft wild in meiner Brust. Jeden Augenblick wird er erkennen, dass mein so demonstrativ zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein nur gespielt ist.
    Aber seine Miene hellt sich auf, und er nickt. »Es ist nicht an mir, Euch Einzelheiten zu erläutern, Hoheit. Aber ich werde Seiner Majestät Eure Frage vortragen.«
    Ich kann mich nicht überwinden, weiter nachzuhaken. Er führt mich zum Ende unseres Zuges, wo meine Kammerfrauen schon die Tür ihrer Kutsche geöffnet haben. Da sie ganz hinten fahren, ist der Wagen bereits dick mit Staub überzogen. Sie strecken mir ihre Arme entgegen, um mir beim Einsteigen zu helfen.
    Sie wollen wissen, weshalb ich nicht an der Seite meines Mannes reise. Eine gewisse Scheu zwischen Eheleuten sei am Anfang ganz natürlich, versichern sie mir. Keine Sorge. Ihr werdet euch schon bald aneinander gewöhnen. Ich beiße die Zähne zusammen angesichts dieser blinden Versicherungen, aber gleichzeitig bin ich auch dankbar dafür. Und da ich selbst keine Erklärungen habe, sehe ich zu Boden.
    Mit einem Ruck setzt sich die Kutsche wieder in Bewegung.
Es ist heiß hier drin, und meine Haut ist schon bald von einem klebrigen Schweißfilm überzogen. Wenn ich so sportlich wäre wie Alodia, würde ich aussteigen und laufen. Ich frage mich, ob dies der wahre Grund dafür ist, dass mein Ehemann nicht mit mir zusammen in einer Kutsche fahren will. Vielleicht besteht überhaupt keine Gefahr.
    Ich bin mit einem Fremden verheiratet, und niemand hat sich bisher die Mühe gemacht, mir den Grund dafür zu sagen. Stattdessen war stets nur vage von einem Abkommen die Rede. Sicherlich hat es etwas damit zu tun, dass ich den Feuerstein trage. Aber da niemand mir etwas verraten will, werde ich es wohl selbst herausfinden müssen.
    Während Ximena mir die Stirn mit dem Leinenstoff ihres Rockes abtupft und Aneaxi mir kühlen Wein aus einem Reiseschlauch einschenkt, bete ich in Gedanken und bitte Gott, mir etwas mehr Stärke und etwas mehr Mut zu verleihen.
     
    Unser Weg führt durch den Dschungel der Hohen Sperre, jener Gebirgskette, die unsere beiden Länder voneinander trennt. Der König hält Wort und sieht regelmäßig nach mir. Wenn wir zu den Mahlzeiten anhalten, erkundigt er sich ausführlich nach meinem Befinden. Sind die Kissen weich genug? Wäre es dir lieber, wenn deine Kutsche eine Weile unseren Treck anführte? Schmeckt dir der Wein? Er ist wundervoll fürsorglich, nimmt stets meine Hand und sieht mir in die Augen, als sei ihm nichts wichtiger als mein Wohlergehen.
    Auf die Frage hin, die ich Lord Hector übermitteln ließ, antwortet mein Gatte, der Dschungel sei gefährlich, denn
hier wimmele es vor Nachkommen jener Sträflinge, die im letzten Jahrhundert in die Wildnis gejagt wurden, als die Gefängnisse von Joya überfüllt waren. Aber eine Seereise sei zu diesem Zeitpunkt noch weniger anzuraten, da schon die Jahreszeit der schweren Stürme bevorstünde.
    Meister Geraldo hat diese Perditos erwähnt, die Verlorenen des Dschungels. Mein Lehrer sagte jedoch, sie hielten sich von den Heerstraßen fern, und deswegen weiß ich nicht, ob ich Alejandro glauben soll.
    Manchmal ist unser Weg so steil, dass mein Rücken angenehm gegen die Wand der Kutsche gedrückt wird und
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