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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe
Autoren: Nicci French
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müssen drüber reden. Morgen, ja?«
    »Mit oder ohne Kohlensäure?«, fragte der Mann.
    »Leitungswasser«, antwortete ich. »Gleich in der Früh, Meg, vor allem anderen.«
    »In Ordnung«, sagte sie. »Dann also um neun.«
    Ich sah sie an, während ihr Blick dem Mann folgte, der zur Bar schlenderte. Er hatte ein nettes, offenes Gesicht. Wie hieß er gleich noch mal? Ach ja, Todd. Wir waren alle zusammen nach einem harten Tag aus dem Büro herübergekommen. Inzwischen hatte sich die Gruppe jedoch aufgelöst und in der Menge verteilt. Überall entdeckte ich vertraute Gesichter. Todd, einer unserer Kunden, hatte vorbeigeschaut, um sich über unser Angebot zu informieren, und war anschließend mit in die Kneipe gegangen. Nun versuchte er gerade, an der belagerten Bar unsere Getränke zu bestellen. Dabei gab’s Probleme, weil eine der Barfrauen gerade von einem unhöflichen Gast ange-schrien wurde. Sie war Ausländerin – Indonesierin oder so was Ähnliches –, und der ungehobelte Gast brüllte, sie habe ihm den falschen Drink gegeben. Sie hatte ihn offensichtlich nicht verstanden. »Sehen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen rede!«, rief er.
    Todd kam mit unseren Getränken zurück. »Sie wollten mir kein Leitungswasser geben«, erklärte er. »Es ist aus der Flasche.«
    Ich nahm einen Schluck.
    »So so, Sie begeben sich also gern in Gefahr«, sagte ich.
    »Das hört sich an, als fänden Sie es albern, aber ja, irgendwie schon.«
    Todd begann uns voller Stolz von einer Urlaubsreise in das südliche Afrika zu erzählen, wo er mit ein paar Freunden eine Reihe gefährlicher Sportarten ausprobiert hatte: in Sambia Wildwasser-Rafting, in Botswana eine Kanufahrt vorbei an Flusspferden, dann Bungeejumping aus einer Seilbahn, die den Tafelberg hinauffuhr, und zum Schluss Sporttauchen zwischen großen weißen Haien.
    »Klingt beeindruckend«, meinte Meg. »Ich glaube nicht, dass ich mich das trauen würde.«
    »Es war sehr aufregend«, sagte er. »Aber auch beängstigend.
    Ich glaube, so richtig gefallen hat es mir erst im Nachhinein.«
    »Ist jemand gefressen worden?«, fragte ich.
    »Man wird in Käfigen hinuntergelassen«, erklärte er, »und wir haben keine zu Gesicht bekommen.«
    »In Käfigen?« Ich verzog das Gesicht. »Ich dachte, Sie mögen die Gefahr. «
    Er wirkte leicht irritiert. »Soll das ein Witz sein?«, antwortete er. »Ich möchte Sie mal sehen, wenn Sie, nur mit einem Gum-miband gesichert, Hunderte von Metern aus einer Seilbahn springen.«
    Ich lachte, wenn auch hoffentlich nicht allzu spöttisch. »Kennen Sie unseren Prospekt nicht?«, fragte ich. »Wir haben selbst schon solche Bungeejumping-Events veranstaltet. Haben eine Risikobeurteilung gemacht und die nötigen Versicherungen organisiert. Glauben Sie mir, es ist weniger gefährlich, als die Straße zu überqueren.«
    »Trotzdem bekommt man dabei einen ganz schönen Adrena-linstoß«, meinte Todd.
    »Adrenalin kann man auch im Supermarkt kaufen«, gab ich zurück. Würde er jetzt beleidigt reagieren oder lächeln?
    Er zuckte selbstironisch mit den Schultern und lächelte.
    »Was verstehen denn Sie dann unter Gefahr?«
    Ich überlegte einen Moment. »Echte Herausforderungen. An Orten, wo es wirklich um etwas geht. Nach Minen zu suchen und sie zu entschärfen. Im Bergbau zu arbeiten – aber nicht hier in Großbritannien. Ich meine, in Russland oder der Dritten Welt.«
    »Was macht Ihnen am meisten Angst?«
    »Viele Dinge. Fahrstühle, Stiere, große Höhen, schlimme Träume. Fast alles, was mit meinem Beruf zu tun hat. Zu versagen. Vor Publikum zu sprechen.«
    Todd lachte. »Das glaube ich nicht«, sagte er. »Ihre Präsentation heute war gut.«
    »Ich bin vorher immer schrecklich aufgeregt.«
    »Dann sind wir ja doch einer Meinung. Sie mögen Herausforderungen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ihr Bungeespringen und Kanufahren vorbei an Flusspferden, das war doch alles aus dem Katalog. Sie wussten, wie es ausgehen würde.« Hinter mir wurde es laut, und ich drehte mich um. Der unhöfliche Mann schimpfte wieder mit der Barfrau, diesmal noch heftiger als zuvor. Sie versuchte ihm etwas zu erklären und war den Tränen nahe.
    »Und Sie?«, wandte sich Todd an Meg. Sie lächelte ihn schüchtern an und war im Begriff zu antworten, aber ich kam ihr zuvor.
    »Sie sagen also, Sie mögen die Gefahr?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Adrenalin?«
    »Ich denke schon.«
    »Wollen Sie es mir beweisen?«
    »Holly!«, mischte Meg sich nervös ein.
    Todds Blick wanderte rasch von
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