Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
hinhalten. Und das ist Vuldom. Und ich. Aber andererseits sind wir ja in Dänemark, das heißt, wir werden nicht an den Pranger gestellt, sondern man versetzt uns einfach in einen anderen Sprengel. Das ist für alle Seiten am besten.«
    Lise zeigte auf einen anderen dreispaltigen Artikel.
    »Davon handelt das hier also?«
    Toftlund hatte den Artikel gelesen. Der Autor hatte alles Wesentliche aus einer der seltenen Pressemitteilungen gepflückt, die der PND herausgab. Ein Mann, der verdächtigt wurde, Verbindungen zu den höchsten Kreisen von al-Qaida zu unterhalten, war in Spanien festgenommen und in das amerikanische Lager Guantánamo in Kuba geschafft worden. Der PND betonte, daß Gerüchte, der Mann sei dänischer Staatsbürger, jeglicher Grundlage entbehrten. Er hatte sich zwar lange Jahre in Dänemark aufgehalten, aber seine Nationalität war nicht geklärt. Möglicherweise war er irakischer Kurde. Er hatte in Dänemark unter falschem Namen gelebt. Das würde im Rahmen der Ermittlungen selbstverständlich genau untersucht werden. Die näheren Umstände seiner Festnahme und Einzelheiten des Falles dürften nicht enthüllt werden, um die Sicherheit des Staates und die guten Beziehungen zu Drittmächten nicht zu gefährden.
    »Im großen ganzen stimmt das so«, sagte Toftlund.
    »Im großen ganzen? Ist er nun irakischer Agent mit Verbindung zu al-Qaida, oder nich?«
    »Wenn sie ihn in Guantánamo lange genug gegrillt haben, dann ist er einer. Die Amerikaner brauchen so einen.«
    »Aber du glaubst nicht dran?«
    »Es ist völlig egal, was ich glaube, Lise. Gewissermaßen scheißegal.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und schaute ihm in die Augen, bis er sie niederschlug.
    »Warum steht da nichts über den anderen Mann, Per? Wegen dem du aus Spanien angerufen hast. Der von der Brücke in Cuenca, die ich nur zu gut kenne, wie du weißt, weil ich eine Heidenangst hatte darüberzugehen. Wir haben im Parador gewohnt, und ich habe schon allein die Vorstellung gehaßt, über diese Brücke gehen zu müssen. Daran erinnerst du dich doch noch? Oder gibt es die Brücke gar nicht? Und diesen Mann, gibt es den auch nicht?«
    »Nein, den gibt es nicht.«
    »Ich bin Journalistin. Ich weiß, daß er existiert. Wie die Brücke in Cuenca auch. Ich könnte über ihn schreiben.«
    »Ja, könntest du. Aber es würde dementiert werden. Er ist seit langem tot.«
    »Mit dieser Lösung scheinst du nicht sehr zufrieden zu sein.«
    »Lise. Das ist Weltpolitik. Keine Nachrichtenarbeit. Er war eine Schachfigur im Krieg gegen den Terror. Ein Bauer, den man opfern konnte. Wir haben die Verbindung zwischen al-Qaida und Saddam aufgedeckt. Wir sind Helden. Es ist für alle Seiten am besten, wenn wir als Helden dastehen und nicht als Schurken. Wir würden allesamt Orden an die Brust geheftet bekommen, wenn es in Dänemark so etwas gäbe. Wir, Spanien und die USA sind Verbündete. Alle sind daran interessiert, daß die Geschichte jetzt ein Ende hat und eine neue anfangen kann.«
    Sie schaute ihn mit ihren schönen Augen durchdringend an. Die Shorts und das helle Top standen ihr ausgezeichnet, und ihre zarte Haut, die nach dem schönen Sommer einen hellbraunen Ton angenommen hatte, sah verlockend aus. Er trank seinen Kaffee und wandte den Blick ab.
    »Du hast mir nicht geglaubt, stimmt’s, Per?«
    »Nein. Es war dumm von mir, aber ist nun mal nicht zu ändern. Und es ist jetzt auch egal. Alle Leute von Bedeutung sind froh und glücklich.«
    »Du auch? Du siehst eher müde aus, entschuldige, wenn ich das sage.«
    »Ja, ich fürchte, das stimmt. Aber das geht vorüber.«
    »Was macht die Wunde?«
    »Alles in Ordnung. Sie heilt sehr gut.«
    »Du hast ihn getötet?«
    »Ja. Er ist tot.«
    »Absichtlich?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, daß es darauf eine eindeutige Antwort gibt. Nicht einmal, wenn ich mir selber ernsthaft die Frage stelle. Aber es ist sowieso nicht mehr zu ändern. Er ist tot.«
    »Ich dachte, das war er vorher schon.«
    »War er auch. Und der Tod ist auch nach wie vor der richtige. Dafür hat man sich jedenfalls entschieden. In meiner Welt sucht man sich die Wirklichkeit oft selber aus.«
    »Ich habe mit deiner Welt nie viel anfangen können.«
    »Ich verlasse sie.«
    Sie beugte sich vor. »Das hast du schon gesagt. Aber was heißt das? Du gehst immer wieder zurück. Du kannst nicht darauf verzichten. Auf diese Spiegelwelt, die sich immer zwischen uns schiebt.«
    »Ich wußte nicht, daß zwischen uns noch etwas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher